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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Weltformel gesucht

26. Mai 2021

Der „Laplacesche Dämon“ ist ein vor 200 Jahren vom französischen Mathematiker und Physiker Pierre-Simon Laplace in die Mathematik eingeführtes Gedankenexperiment, das eine Art Weltformel beschreibt, mit der das Berechnen der Zukunft möglich sein soll. Die Existenz des Laplaceschen Dämons darf inzwischen als widerlegt angesehen werden. Das ist auch deshalb bedauerlich, als damit die Möglichkeit entfallen ist, mittels dieser Formel den Ausgang von Pferderennen vorherzusagen.

So kann leider auch der Handicapper an dieser Stelle nicht den todsicheren Sieger im Deutschen Derby verraten, sondern muss sich weiter mit herkömmlichen Mitteln um die Lösung dieser Frage bemühen. Das ist gar nicht so einfach, denn derzeit muss man mindestens noch einem Dutzend Kandidaten Chancen auf einen Derbysieg einräumen. Auch die Hoffnung, dass das Pfingstwochenende mehr Licht in das Dunkel, in das zurzeit die Derbyfrage noch getaucht ist, hat sich nicht erfüllt. Kein neuer Stern ist am Himmel erschienen, aber immerhin haben die augenblicklichen Hauptdarsteller, soweit sie in den drei Derbytests der letzten Tage am Start gewesen sind, ihre Positionen festigen können.

Das gilt besonders für Sea of Sands, den Sieger des Derby-Trials am Pfingstsonntag in Hoppegarten. Man durfte erwarten, dass der so großartig gezogene Hengst sich gegenüber dem Bavarian Classic vor drei Wochen verbessert zeigen würde, denn damals kam das von seinem Reiter angeschlagene flaue Tempo seinen Fähigkeiten kaum entgegen. Am Sonntag ging es im Wettstar.de-Derby-Trial zügiger zur Sache. Nach schnellem Beginn flaute das Tempo zur Mitte des Rennens hin zwar etwas ab, zog dann aber wieder an und die letzten 400 Meter waren mit 23,80 Sekunden die schnellsten des ganzen Rennens, was immer ein gutes Zeichen ist. Sea of Sands gewann zwar nur mit „Kopf“, hinterließ dabei aber den Eindruck eines noch weiter verbesserungsfähigen Pferdes. Eine Steigerung wird auch nötig sein, denn mit einer Marke von 92 kg, die auch nach dem Sieg unverändert geblieben ist, wird man kein Derby gewinnen können. Ich habe zwar das sichere Gefühl, dass Sea of Sands mehr kann als seine jetzige Marke, er wird dazu aber weitere Wege benötigen, die er bei seinen nächsten ins Auge gefaßten Starts (Union und Derby) auch antreffen wird. Da sich ein Handicapper aber lieber nicht auf sein Gefühl verlassen sollte, muss Sea of Sands erst einmal bei seiner alten, aus dem Preis des Winterfavoriten stammenden Marke bleiben, da die von ihm geschlagenen Gegner keinen Anlass zu einer neuen Einschätzung geben. Damit steht er derzeit im Ranking bei den dreijährigen Hengste gemeinsam mit Lambo auf einem geteilten vierten Platz, wobei die vor den Beiden rangierenden Mythico, Best of Lips und Sampras zweifelhafte Derbystarter sind. (Klick zum derzeitigen Ranking der dreijährigen Hengste.)

Berechnung des Derbysiegers nach dem Laplaceschen Dämon
Berechnung des Derbysiegers nach dem Laplaceschen Dämon
 
 
 

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Auch Lambo, der Sieger im Bavarian Classic, wurde am Pfingstmontag weiter auf seine Derbytauglichkeit geprüft und man kann sagen, dass er diese Prüfung mit einem dritten Platz im G2-Prix Hocquart in Longchamp mit Anstand bewältigt hat. Mein Handicapper-Kollege Eric le Guen hat sich aber nicht in der Lage gesehen, die Marke von Lambo anzuheben, sondern hat ihn als Grundlage für seine Rechnung herangezogen. Das heißt also, dass auch Lambo – wie Sea of Sands – erst einmal bei 92 kg stehen bleibt. Sassoon, von Trainer Jean-Pierre Carvalho in das Rennen geschickt, wurde Vierter und kommt auf eine neue Bestmarke von 91 kg. Der Sieger Bubble Gift (Rating 106=93 kg) ist insofern interessant, als er sich im April dem Schlenderhaner Derbykandidaten Martial Eagle beugen musste und drei Wochen später gegen Alter Adler gewann, einem weiteren Anwärter auf das Blaue Band.

93 Kilo für den Sieger in einem französischen Gruppe II-Rennen ist ja nicht gerade viel, aber man muss auch konstatieren, dass der Prix Hocquart im letzten Jahrzehnt einiges von seinem einstigen Renommee eingebüßt hat. Das gilt auch für andere französische Dreijährigenrennen über Steherdistanz seit der radikalen Umstellung des dortigen Rennprogramms im Zuge der Kürzung der Distanz für den Prix de Jockey Club, dem französischen Derby, von 2400 Meter auf 2100 Meter. Ob sich das bewährt hat, wird kontrovers diskutiert. Früher hatte der Prix Hocquart seinen Platz zusammen mit Prix Daru, Prix Noailles, Prix Greffulhe und Prix Lupin als Vorbereitungsrennen auf den Prix du Jockey Club und wurde von so großartigen Pferden wie Herbager, Val de Loir, Free Ride, Reliance, Gyr, Darshaan, Bering und Pistolet Bleu gewonnen. Seit der Reform im Jahr 2005 ist Hurricane Run streng genommen das einzige Klassepferd in der Siegerliste.

 
 
 

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Das klassische Mehl-Mülhens-Rennen am Pfingstmontag in Köln hat Mythico gewonnen. Noch eine Woche vorher hat man das nicht vorhersehen können, denn er war für das Rennen eigentlich nie vorgesehen, hatte auch nie eine Nennung bekommen und kam erst fünf Tage vor dem Rennen mit einer 10.000 Euro teuren Nachnennung ins Feld. Ursprünglich sollte er im Derby-Trial in Hoppegarten laufen, als aber nach den wieder strenger gewordenen Covid 19-Auflagen alle englischen Pferde gestrichen wurden, änderte man den Plan. Den bisherigen Jahrgangsbesten Best of Lips hatte er vorher schon zweimal getroffen und beide Male den Kürzeren gezogen, diesmal drehte er den Spieß um. Auch in der Niederlage lief Best of Lips ein gutes Rennen, jedenfalls kein viel Schlechteres als bei seinem Sieg im Busch-Memorial, der 93 kg wert war. So ergibt sich für Mythico vorläufig eine neue Bestmarke von 95 kg, womit er erst einmal die Nummer eins im Jahrgang ist. Das gute Laufen von Best Lightning, der sich zwischen Mythico und Best of Lips schob, war keine Überraschung, denn im Rennen zuvor war er nur minimal von Pferden geschlagen, die anschließend Erster und Dritter in den französischen 2000 Guineas wurden.

Man darf gespannt darauf sein, wie es mit Mythico weitergeht. Zunächst hat man in ihm ja einen Steher gesehen, was bei seiner Abstammung als Adlerflug-Sohn aus einer Monsun-Mutter auch naheliegt. Aber nach dem schwachen Saisondebüt im Prix Noailles über 2100 Meter ist man in dieser Meinung schwankend geworden und erwägt jetzt sogar, das Deutsche Derby auszulassen. Unsere wichtigste Zuchtprüfung wäre dann um eine Attraktion ärmer, denn ein Sieg von Mythico im Blauen Band scheint sowohl nach Klasse als auch nach Pedigree im Bereich des Möglichen.

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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