Es ist gut möglich, dass man in Leverkusen mehr über Ratibor weiß. Dass etwa der ehemalige Vertriebenenpolitiker Herbert Hupka dort Ehrenbürger ist, der große Baumeister Karl-Friedrich Schinkel das Gerichtsgebäude geplant hat und dass die Stadt früher zur preußischen Provinz Oberschlesien gehörte und heute zu Polen. Denn Leverkusen ist Partnerstadt von Ratibor. Dass aber Victor I., Herzog von Ratibor, von 1873 bis zu seinem Tode im Januar 1893 Präsident des Union-Klubs war, also der ersten leitenden Körperschaft des Galoppsports in Deutschlands und damit Vorgänger des Deutschen Galopps, des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen und der Obersten Behörde für Vollblutzucht und Rennen, das dürfte selbst das Wissen in Leverkusen übersteigen.
Als Herbst bezeichnen die Meteorologen den Zeitraum im Jahr, in dem die Erde sich auf ihrer elliptischen Bahn von der Sonne entfernt. Die Tage werden kürzer, die Sonne scheint nicht mehr so oft, die Menschen nehmen weniger Vitamin B12 auf und werden müde. Und auf den Rennbahnen ist der Boden weich oder sogar schwer. Dann schlägt die Stunde der Außenseiter, denn der Herbst ist auch die Jahreszeit der überraschenden Rennausgänge, angesichts derer einem oft nur übrig bleibt, sich mit dem Dichterwort zu trösten, wonach ein vollkommener Widerspruch gleich geheimnisvoll bleibt, für Kluge wie für Toren. Wer schon etwas länger dabei ist, dem fallen Namen ein wie Pawiment (1216:10), Acaio d´Aguilar (496:10), Days at Sea (304:19) oder Sharper (576:10), die es alle sensationell und auf weichem bis schwerem Boden zum Gruppe I-Sieger gebracht haben. Und fast 100 Jahre ist es her, seit Pan Robert, der König aller Außenseiter, am 26. Oktober 1924 auf der Rennbahn von Grunewald auf schwerem Geläuf das damals bedeutende Gladiatoren-Rennen zum Totokurs von 2248:10 gewann. Auch der Große Preis von Bayern hatte in seiner erst kurzen Münchener Zeit mit Guignol (337:10) schon einen Schocksieger zu verkraften gehabt. Am Sonntag nun, beim G1-Allianz Großen Preis von Bayern, kam eine weitere Überraschungssiegerin hinzu, denn mit Sunny Queen (237:10) gewann eine Stute, mit der kaum einer rechnen konnte.
Zu den skurrilsten Wettbewerben, die der Mensch sich ausgedacht hat, gehört neben Schachboxen, Frauentragen und Zwergenwerfen auch der „Mensch-gegen-Pferd-Marathon“, der seit 1980 alljährlich in der walisischen Ortschaft Lanwrtyd Wells ausgetragen wird. Die Idee zu diesem Wettkampf entstand im örtlichen Wirtshaus „Neuadd Arms“ bei einem Streit über die Frage, ob ein Mensch über extrem lange Distanzen schneller sein könne als ein Pferd. Der praktische Beweis dieser inzwischen auch von der Wissenschaft anerkannten Tatsache ließ allerdings bis 2004 auf sich warten, bis der 27-jährige Londoner Huw Lobb nach der 35 Kilometer langen Strecke mit 2 Minuten und 37 Sekunden schneller war als alle Reiter. Neben der Prämie von 25.000 Pfund gewann er auch noch einiges an Wetten, denn auf den Sieg eines Menschen hatten die Buchmacher einen Kurs von 16:1 geboten. Zwei Jahre später konnte auch Dr. Florian Holzinger aus Ansbach alle Pferde schlagen.
Die Italiensehnsucht der Deutschen hat ja seit Goethes italienischer Reise und seinem schönen Gedicht über das Land, wo die Zitronen blühn, zunehmend Fahrt aufgenommen. Zunächst waren es die Bildungsbürger, die im 19. Jahrhundert in Scharen nach Rom und Florenz reisten, später dann ließ Rudi Schuricke bei Capri die rote Sonne im Meer versinken, und schließlich begeisterte sich die „Toskana-Fraktion“ für den in dieser Region angeblich vorherrschenden einfachen, gleichwohl gepflegten Lebensstil mit gutem Essen und Trinken und geschmackvoller Kleidung. Auch auf die italienische Vollblutzucht und den dortigen Rennsport blickte man lange mit Sympathie und Respekt, brachte er doch so Bedeutendes hervor wie Federico Tesio, Ribot und Frankie Dettori. Davon ist kaum noch etwas übrig geblieben. Der Niedergang des italienischen Rennsports begann an einem Dienstag, dem 27. Juni 1995, als die italienische Regierung beschloss, ein gut funktionierendes Wettsystem zu reformieren.
Nimmt man den Renntitel „Preis der Winterkönigin“ einmal wörtlich, dann kann man daraus folgern, dass die Regentschaft für die Siegerin nicht länger als einen Winter andauern wird. So wie es in der Geschichte tatsächlich einmal eine „Winterkönigin“ gegeben hat, der genau das passiert ist: Elisabeth Stuart, Enkelin der schottischen Königin Maria Stuart und Urahnin sämtlicher Monarchen Großbritanniens, trug diesen spöttisch gemeinten Titel als Gattin des „Winterkönigs“ Friedrich V. der Pfalz, der kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges für nur einen Winter lang König von Böhmen war. Auch bei den Winterfavoritinnen des Galoppsports war seit längerem zu beobachten, dass sie ihre Krone nach nur einem Winter wieder haben abgeben müssen, weil Andere besser geworden sind. Blickt man auf die Siegerliste dieser wichtigsten Prüfung für zweijährige Stuten, dann war Quebrada im Jahre 1992 die Letzte, die danach ein klassisches Rennen gewinnen konnte, also die 1000 Guineas oder den Preis der Diana. Für die neue Winterkönigin Noble Heidi sind das in Hinblick auf klassische Ehren keine guten Aussichten, aber es gibt ja noch viele andere gute Rennen.
Eines muss man den Kölnern ja lassen: das war schon eine geniale Idee, ihren „Oktober-Preis der Zweijährigen“ nach nur einem Jahr einen neuen Namen zu geben und das Rennen fortan „Preis des Winterfavoriten“ zu nennen. 1899 war das, im zweiten Jahr des Bestehens der Kölner Rennbahn. Winterfavorit – das hatte doch gleich einen ganz anderen Klang und setzte Fantasie frei, wie bei dem Kolumnisten der „Rheinischen Post“, der 1949 seine neue Bekanntschaft mit auf die Rennbahn nahm, nicht zuletzt weil dort auch die damals so beliebte Pelzmodenschau stattfand. Später rechnete er zusammen: „Drei Pelzmäntel 3500 Mark, Kaffee mit Kuchen im Teehaus 12,50 DM, Sektabendessen im Atelier 52 DM, Mittwoch treffen wir uns wieder 75 DM, Karneval hat sie rasend gern 860 DM, Ski ist ihre Leidenschaft 570 DM, Venedig ihr Traum 1300 DM, macht zusammen 6369,50 DM. Das wäre dann so für mich der Preis der Winterfavoritin.“
Jetzt ist der Herbst da und man darf wieder Drachen steigen lassen, vor Kartoffelfeuern sitzen und am Strand den Hund von der Leine lassen. Der Herbst ist aber auch die Jahreszeit, zu der im Galopprennsport abgerechnet wird. Für den Handicapper bedeutet das, langsam eine Antwort auf die Frage nach der sportlichen Bilanz des Rennjahres zu geben. Okay – die Saison ist noch nicht ganz vorbei, mit dem Großen Preis von Bayern kommt noch ein Gruppe I-Rennen und für die Zweijährigen stehen noch große Prüfungen an. Bei den Dreijährigen aber, immer der wichtigste Jahrgang in unserem Sport, hat das vorige Wochenende weitgehend für Klarheit gesorgt, und zwar in einem eindeutig positiven Sinne. Wir haben uns zuletzt ja lange genug in Skeptizismus üben und zusehen dürfen, wie ein großes Rennen nach dem anderen durch zum Teil zweitklassige Pferde aus England, Frankreich und sogar Ungarn verloren gegangen ist. Lange hat man vergebens nach einem Pferd in der Nachfolge des so erfolgreichen Trios Iquitos, Dschingis Secret und Guignol Ausschau gehalten, von so großartigen Pferden wie Danedream, Novellist, Pastorius oder Sea The Moon ganz zu schweigen. Jetzt darf man langsam wieder hoffen, was einem Dreijährigen-Jahrgang zu verdanken ist, der – wenn nicht alles täuscht – der Beste seit langer Zeit ist.
Unter einem klassischen Rennen kann man ja Verschiedenes verstehen. Der Radsportler denkt an Mailand-San Remo, Paris-Roubaix oder die Flandern-Rundfahrt, der Motorsport-Fan eher an die 24 Stunden von Le Mans, die 500 Meilen von Indianapolis oder die Mille Miglia. Im Vollblutsport schaut man dabei auf die Klassiker German 1000 Guineas, Mehl-Mülhens-Rennen, Deutsches Derby, Preis der Diana und – das Deutsche St. Leger? Nach dem Sieg von Quian im RaceBets 136. Deutschen St. Leger vor zehn Tagen in Dortmund hat es – nicht zum ersten Mal – Diskussionen darüber gegeben, ob denn das St. Leger auch noch in diese Reihe gehört. Ein klassisches Rennen ist ja weder eine geschützte Marke, noch ist irgendwo (und schon gar nicht in der Rennordnung) definiert, was einen Klassiker ausmacht. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird man darunter etwas verstehen, was überregional bekannt ist, eine lange Tradition und eine hohe Qualität in sich vereint. Im Galoppsport hat man sich am englischen Vorbild orientiert, der Begriff des klassischen Rennens im heutigen Sinne hat sich in Deutschland aber nur langsam entwickelt.
Der 1739 geborene Fürst Grigori Alexandrowitsch Potemkin war bekanntlich nicht nur der Favorit der Zarin Katharina, er hat der Legende nach auch die Attrappe in die Politik eingeführt. Nur Häuserfronten habe Potemkin errichten lassen und mit dieser Vorspiegelung seiner Herrscherin blühende Landschaften vorgetäuscht. Eine Legende, die, wie man inzwischen weiß, falsch ist, denn die Potemkinschen Dörfer waren echt und nicht von Pappe. So wie auch an dem inzwischen neunjährigen Wallach Potemkin im Besitz von Klaus Allofs und der Stiftung Gestüt Fährhof alles aus echtem Schrot und Korn ist. Am Sonntag gewann er in Mailand den G3-Premio Piazzale mit fast vier Längen Vorsprung. Für ein Rennpferd seines Alters eine herausragende Leistung.
Der einst vom Galopprennsport geprägte Begriff des Pacemakers hat ja im Laufe der Zeit eine Bedeutungserweiterung erfahren. Zunächst sprang der Begriff über auf den Bahnradsport und die noch vor 50 Jahren so beliebten Steherrennen, in denen der Radrennfahrer (der Steher) hinter einem Motorrad im Windschatten über lange Distanzen fuhr und dabei hoffentlich nicht „von der Rolle“ kam. In der Medizin versteht man unter einem Pacemaker heute einen Herzschrittmacher und in der Leichtathletik einen Läufer oder eine Läuferin, die auf internationalen Sportfesten oder bei Rekordversuchen das Tempo bestenfalls so gestalten, dass am Ende das gewünschte Ergebnis herauskommt. Wegen ihrer aufopferungsvollenTätigkeit werden sie liebevoll „Hasen“ genannt. Ist der Hase selbst ein Rekordläufer, spricht man von einem „Edelhasen“. Sabrina Mockenhaupt hat das mal gemacht. Im Galopprennsport dagegen hat der Hase zuletzt an Bedeutung eingebüßt, vom Edelhasen ganz zu schweigen.
Der Begriff des Veterans findet ja über seine eigentliche Bedeutung innerhalb des Militärs hinaus auch Verwendung für Personen oder Sachen, die altgedient sind und sich über lange Zeit bewährt haben. So kommt – um ein Beispiel zu nennen – der VW-Bulli in seiner Größe so richtig erst beim alljährlichen Bulli-Veteranentreffen auf Fehmarn zur Geltung. Ähnliches kann für die zahlreichen Trecker- oder Motorrad-Oldtimertreffen gelten. Es gibt sogar einen „Veteranen-Fahrzeug-Verband (VFV)“, der Seminare und Workshops anbietet, bei denen die Mitglieder nicht nur fachgerechte Blechbearbeitung und andere technische Kniffe lernen können – auch abendliche „Benzingespräche“ sollen das individuelle Wissen erweitern. So steht es jedenfalls auf der Webseite des Verbandes.
Bei Sportveranstaltungen aller Art wird auch heute noch gerne Tina Turners Welterfolg „The Best“ aus dem Jahr 1989 abgespielt. „You are simply the best“ heißt es da im Refrain, „better than all the rest“. Am Mittwoch voriger Woche hallten diese Worte zusammen mit der zündenden Musik über das nahezu menschenleere Rennbahngelände von York, als der fünfjährige Hengst Ghaiyyath nach seinem grandiosen Sieg im G1-Juddmonte International als Sieger zur Waage zurückkehrte. Doch nicht nur dem Pferd, auch William Buick, seinem einstmals in Iffezheim in die Schule gegangenem Reiter, mochte das Lied gelten, der sein – man darf wohl sagen: Lieblingspferd – wieder einmal vom Start bis ins Ziel in Front liegend zu einem Gruppe I-Sieg gesteuert hatte, dem dritten in Folge.
Wissenschaftler der University of California haben in den 1990er-Jahren einmal die Entwicklung der Bestzeiten in fünf wichtigen olympischen Laufdisziplinen untersucht. Nachdem sie feststellten, dass die Frauen ihre Zeiten doppelt so schnell verbessert hatten wie die Männer, stellten sie die provokante Frage: „Werden die Frauen die Männer bald überholen?“ und prognostizierten, dass der Geschlechterunterschied im Marathon um die Jahrtausendwende bereits verschwunden sein würde. Nun – daraus ist bekanntlich nichts geworden, auch weil das schnelle Aufholen der Frauen zum Teil auf planmäßiges Doping zurückzuführen war. Marita Koch, Jarmila Kratochvilova und Florence Griffith-Joyner lassen grüßen, die Inhaberinnen der ältesten noch bestehenden Weltrekorde in der Leichtathletik. Der ewige Geschlechterunterschied im Sport wird wohl bestehen bleiben.
Städte, Burgen, Schlösser und Berge, die Biermarke der Fürstenberg-Brauerei, die niedersächsische Porzellanmanufaktur und – das Fürstenberg-Rennen. Das war ursprünglich ein im August gelaufenes, immer international ausgeschriebenes Rennen nur für Dreijährige. 1880 wurde es erstmals in Baden-Baden unter dem Namen Preis von Iffezheim gelaufen und von 1900 bis 2009 dann als Fürstenberg-Rennen, in Gedenken an den ersten Präsidenten des Internationalen Clubs, Karl Egon Fürst zu Fürstenberg (1820-1892). In der Siegerliste tauchen große Namen auf: Oleander, der Derbysieger Alba, Masetto, Lombard, Lirung, Sternkönig und Wurftaube. Mit Carroll House hat sogar ein späterer Arc-Sieger gewonnen, und Tikkanen, der 1994 hinter Twen Zweiter war, gewann zwei Monate später den Breeders' Cup Turf. Nach dem Niedergang des Internationalen Clubs von Baden-Baden wurde es zwischen 2010 und 2017 unter wechselnden Namen in Düsseldorf, Hannover und Krefeld gelaufen, bis es schließlich vor zwei Jahren seinen Charakter völlig einbüßte, denn seitdem dürfen auch ältere Pferde dabei sein.
Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach über Mark Twain gesprochen, der ja nicht nur ein großer Schriftsteller und Humorist war, sondern auch ein Freund des Galopprennsports. Auf seinen vielen Reisen ließ er kaum eine Gelegenheit aus, einen Rennplatz zu besuchen. Er hielt sich übrigens auch längere Zeit in Berlin auf und schrieb später über seine Versuche, Deutsch zu lernen, einen witzigen Aufsatz mit dem Titel „Die schreckliche deutsche Sprache“, in dem er mit bissigem Humor deren Absonderlichkeiten beschrieb: kilometerlange Wörter; Sätze, bei denen nach einer Viertelstunde ganz zum Schluss das Verb kommt „und hinter das Verb stellt der Verfasser noch haben sind gewesen gehabt haben geworden sein.“ Er hat auch viel für die Anreicherung des Zitatenschatzes getan, aus dem hier folgendes Beispiel ans Licht geholt sei: „Es wäre nicht gut, wenn einer dächte wie der andere – denn nur weil es verschiedene Meinungen gibt, gibt es auch Pferderennen.“
Kaffee ist ja der Deutschen Leibgetränk, mehr als 160 Liter trinken sie davon pro Kopf und Jahr. Das sind knapp vier Tassen pro Tag, aber Kaffee ist ja nur schädlich, wenn einem ein ganzer Sack davon aus dem fünften Stock auf den Kopf fällt. Das sagte jedenfalls Albert Darboven einmal. Mein Lieblingscafé in der Gegend, wo ich wohne, ist das Ahoi, eine kleine Kaffeebude am Niendorfer Hafen, wo noch selbst geröstet wird. An den großen Kaffeemarken ist Ahoi natürlich nicht zu messen, wobei auffällt, dass Unternehmen wie Darboven, Tchibo oder Jacobs alle starke Verbindungen zum Pferderennsport aufweisen oder einmal aufgewiesen haben. Und natürlich auch Dallmayr, das mehr als 300 Jahre alte Delikatessenhaus mit Stammsitz in der Dienerstraße im Herzen Münchens, unweit des Marienplatzes und des Nationaltheaters. Kaffee ist erst seit 1933 Teil des Dallmayr-Sortiments, seitdem der damals 19 Jahre alten Bremer Kaffeekaufmann Konrad Werner Wille einem Ruf nach München folgte und dort die Kaffeesparte aufbaute.
„Alles anders!“ Dieser Satz trifft in Corona-Zeiten ja auf alles Mögliche zu. Also auch auf das Derby. Schnutenpulli (norddeutsch für Mund- und Nasenschutz), Abstand halten, Selbstauskunft und Fiebermessen. Keine Zuschauer. Oder fast keine, jedenfalls. Nur einige hundert Menschen waren beim 151. IDEE Deutschen Derby 2020, das als „Corona-Derby“, wahlweise „Geister-Derby“, in die Geschichte eingehen wird. Das hatte zur Folge, dass man nahezu jeden persönlich kannte. Die Begrüßung erfolgte entsprechend den Vorgaben des „Deutschen Knigge-Rates“ verbal und auf Abstand, bei guten Bekannten auch schon mal durch den „Elbow-Bump“, aber Vorsicht – nur wenn vorher nicht in den Ellenbogen hineingehustet wurde. Die Corona-Polizei patroullierte auf der Bahn, bis auf leichte Ermahnungen gab es keinen Grund zum Einschreiten.
"Winning without thinking". Unter diesem Titel, der sich mit „Gewinnen ohne nachzudenken“ ins Deutsche übersetzen lässt, erschien vor einiger Zeit in England ein „Definitiver Leitfaden für Pferdewettsysteme“. Ich bin nicht sicher, ob das Buch sich gut verkauft hat, die Botschaft ist vielleicht doch etwas simpel. Andererseits sind Wett- und Spielsysteme für viele Menschen seit jeher ein Faszinosum, besonders dann, wenn sie mit dem Adjektiv „todsicher“ in Verbindung gebracht werden. Früher waren die Leute in dieser Beziehung wohl leichtgläubiger als sie es heute sind, denn ansonsten wären Anzeigen wie diese im „Hamburger Fremdenblatt“ aus dem Jahre 1910 kaum denkbar gewesen: „Sportsmen! Ein offenes Derby kommt am Sonntag zum Austrag. Bei meiner persönlichen Anwesenheit in Hamburg erfahre ich von authentischer Seite aus allererst informierten Kreisen den Sieger. Herren, denen dran liegt, diesen zu erfahren, sowie am Montag den garantiert todsicheren Sieger des Renard-Rennens, wollen sofort zehn Mark einsenden. O.Czech, Berlin, Neanderstr. 1.“
„Nennungsschluss heißt der zur festgesetzten Stunde erfolgende Schluss der Anmeldungen für ein Rennen“, stellte schon Victor Silberer 1890 in der zweiten Auflage seines Turflexikons fest, „er muss bei jeder solid geleiteten Concurrenz mit größter Pünktlichkeit und auf die Minute erfolgen.“ Nun – seitdem ist viel passiert in der Welt und auch ein verpasster Nennungsschluss hat heute nicht mehr derart fatale Konsequenzen wie noch 1996, als der damalige Trainer der Pferde des Gestüts Röttgen die Derbynennungen einen Tag zu spät einreichte und so unter anderem den ausgezeichneten Hengst Ungaro um eine aussichtsreiche Teilnahme am Deutschen Derby 1997 brachte. „Nachnennung“ heißt das Zauberwort, das Trainer heutzutage ruhiger schlafen lässt und das Vergesslichkeit oder Fehleinschätzungen heilen kann, wie noch kürzlich bei den German 1000 Guineas erfolgreich praktiziert.
Die Zahl hundert nimmt in unserem Kulturkreis eine besondere Stellung ein. Sie markiert die äußerste Lebensdauer eines Menschen, bezeichnet nach der Skala von Anders Celsius den Siedepunkt des Wassers, und in der Grundschule lernen die Kinder seit Adam Rieses Rechenbuch als erstes das bis 100 reichende kleine Einmaleins. Im Übrigen gilt hundert als „runde“ Zahl und steht als Synonym für eine lange Zeit. So mussten denn sogar 101 Jahre vergehen, ehe zum 100. Male die deutschen 1000 Guineas gelaufen werden konnten, denn 1945 und 1946 fiel das Rennen aus. Es hat diverse Namenswechsel hinter sich, am Anfang hieß es Kisasszony-Rennen, danach Schwarzgold-Rennen, Arag-Preis und Henkel-Rennen, bis es jetzt den recht einfallslosen und für den Außenstehenden rätselhaften Namen „German 1000 Guineas“ trägt, dem seit ein paar Jahren der Name des Sponsors Wempe zugesellt wurde. Seine Bestimmung ist aber über die Zeitläufte hinweg bestehen geblieben, denn es soll als „klassisches Rennen“ die beste dreijährige Stute über die Meilendistanz ermitteln.
Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.