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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Fürstenberg-Rennen revisited

12. August 2020

Der Name Fürstenberg ist ja weit verbreitet. Adelsgeschlechter heißen so, mehrere Städte, Burgen, Schlösser und Berge, die Biermarke der Fürstenberg-Brauerei, die niedersächsische Porzellanmanufaktur und – das Fürstenberg-Rennen. Das war ursprünglich ein im August gelaufenes, immer international ausgeschriebenes Rennen nur für Dreijährige. 1880 wurde es erstmals in Baden-Baden unter dem Namen Preis von Iffezheim gelaufen und von 1900 bis 2009 dann als Fürstenberg-Rennen, in Gedenken an den ersten Präsidenten des Internationalen Clubs, Karl Egon Fürst zu Fürstenberg (1820-1892). In der Siegerliste tauchen große Namen auf: Oleander, der Derbysieger Alba, Masetto, Lombard, Lirung, Sternkönig und Wurftaube. Mit Carroll House hat sogar ein späterer Arc-Sieger gewonnen, und Tikkanen, der 1994 hinter Twen Zweiter war, gewann zwei Monate später den Breeders' Cup Turf. Nach dem Niedergang des Internationalen Clubs von Baden-Baden wurde es zwischen 2010 und 2017 unter wechselnden Namen in Düsseldorf, Hannover und Krefeld gelaufen, bis es schließlich vor zwei Jahren seinen Charakter völlig einbüßte, denn seitdem dürfen auch ältere Pferde dabei sein. Nun ist am Sonntag in Hoppegarten der Name Fürstenberg-Rennen wieder aufgetaucht. Mit dem alten Rennen hat es aber, wie gesagt, nichts mehr zu tun.
Eine wichtige Funktion hat es aber doch erfüllt. Als Vergleichsrennen zwischen Dreijährigen und Älteren ist es an die Stelle des in den Oktober verschobenen Großen Preises von Berlin getreten. Es waren diesmal zwar nicht die besten Dreijährigen und auch nicht die besten Älteren am Start, aber für seinen Status als Gruppe-3-Rennen und besonders angesichts der Corona-bedingten Mager-Dotierung, konnte sich das Rennen doch sehen lassen. Der Sieger Be My Sheriff ist ja ein interessantes Pferd. In Görlsdorf gezogen aus einer alten, noch vom berüchtigten Nazi-Bonzen Christian Weber im Gestüt Isarland angesiedelten Familie stammend, die auch Monsun hervorgebracht hat, war er in seinen ersten drei Rennjahren ganz überwiegend auf französischen Rennbahnen unterwegs. Mit dem Sieg im Dresdner Herbst-Preis im November 2018 kam er erstmals über die 90-Kilo-Marke und war seitdem in neun Gruppe- oder Listenrennen immer unter den ersten drei zu finden. Es fehlt nur noch ein Sieg oder eine Platzierung in einem Gruppe-I-Rennen. Vielleicht kommt es am 3. Oktober dazu, wieder in Hoppegarten.

Video: Berlin-Hoppegarten - 09. August 2020: Fürstenberg-Rennen (Gr. III) - Sieger: Be My Sheriff

Dieses Fürstenberg-Rennen war für Be My Sheriff eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, denn er musste allen Gegnern mindestens zwei Kilo Gewicht geben. Moonlight Man bestätigte als Zweiter seine Einschätzung von 92,5 kg, so dass für den Sieger eine neue Bestmarke von 96,5 kg (Rating 113) herauskommt, ein Pfund mehr als bisher. Sehr ordentlich hielten sich die beiden Dreijährigen Notre Ruler und Memphis. Sie schafften es zwar nicht ganz, ihre Vorleistungen aus dem Derby bzw. den Oaks d'Italia zu wiederholen, blieben aber nur ganz geringfügig darunter – und das ist doch auch schon was.

* * *

Vor einer Woche hatte ich über den einstigen britischen Chef-Handicapper Phil Smith geschrieben, der dem European Pattern Committee in einem Memorandum geschildert hat, dass viele europäische Grupperennen – bedingt durch den schon länger andauernden Rückgang der Ratings – von einer Herabstufung bedroht sind. Ich will darauf noch etwas näher eingehen. Nach der derzeit gültigen Regelung müssen die vier Erstplatzierten eines Gruppe-I-Rennens am Jahresende ein Rating erreichen, das im Durchschnitt mindestens 115 ergibt, das sind 97,5 kg.

Für Rennen der Gruppe II werden mindestens 110 (95 kg) gefordert, für Gruppe-III-Rennen sind es 105 (92,5 kg). In reinen Stutenrennen werden fünf Pfund weniger verlangt. Das gilt für jede Art von Rennen, also auch für Rennen, in denen die Dreijährigen unter sich sind.
Das Jahr 2019 war für die europäischen Dreijährigen ein schlechtes Jahr gewesen, denn der Beste von ihnen, der französische Derbysieger Sottsass kam nur auf ein Rating von 123 (101,5 kg), ein neuer Tiefpunkt in der Geschichte der Internationalen Klassifikation (jetzt Longines Worlds Best Racehorse Rankings – LWBRR). Die Tendenz zeigt schon seit Jahren nach unten, wie die nachstehende Tabelle über die Anzahl der Dreijährigen, die ein Rating von mindestens 110 (95 kg) erreicht haben, zeigt:

Anzahl der europ. Dreijährigen in LWBRR

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Rating 2010-2014 2015-2019
120+ (100 kg+) 63 41 (-34,9%)
115-119 (97,5-99,5) 146 147 (+0,7%)
110-114 (95-97 kg) 389 358 (-8,0%)
Total 598 546 (-8,7%)

Aufgeschlüsselt nach Ländern ergibt sich folgendes Bild:

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Rating 110+ (95 kg+) 2010-2014 2015-2019
FR 206 131 (-36,4%)
GB 205 228 (+11,2 %)
IRE 114 124 (+8,8 %)
GER 57 52 (-8,8 %)
ITY 16 11 (-31,3 %)
Total 598 546 (-8,7%)

Besonders dramatisch ist die Lage in Frankreich, wo es in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts noch 206 Pferde mit einem Rating von 110 (95 kg) oder mehr in die Klassifikation geschafft haben, in der zweiten nur noch 131. Die Hoffnung auf Besserung kann nur gering sein, denn die schwachen Werte des vorigen Jahres werden sich auch in diesem und in den kommenden Jahren noch auswirken. Dabei ist der Covid 19-Effekt in diesen Zahlen noch gar nicht enthalten. Deutschland ist mit einem Rückgang von 57 auf 52 klassifizierten Pferden bisher noch recht glimpflich davongekommen. Man darf aber nicht erwarten, dass das so bleibt.
Besorgniserregend ist auch der zunehmende Unterschied in den Ratings zwischen den Dreijährigen und den Vierjährigen und Älteren in den Rankings. Betrug dieser Unterschied im Jahr 2015 noch 2,4 Pfund zugunsten der Älteren, so waren es 2019 bereits 3,6 Pfund. Es ist zu erwarten, dass sich diese Tendenz in diesem Jahr und auch danach noch fortsetzen wird, auch weil es infolge von Covid 19 überall auf der Welt weniger Rennen gibt und daher auch weniger Möglichkeiten für die Pferde, sich auszuzeichnen. Das hat sich schon bei der Veröffentlichung der ersten Weltrangliste des Jahres 2020 im Juli gezeigt, die nur noch 25 Pferde mit einer Marke von 120 (100 kg) und mehr enthielt, im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt noch 32 – und 2019 war schon ein schwaches Jahr gewesen. Ein weiterer Effekt von Covid 19 ist, dass weltweite Vergleiche zwischen europäischen Pferden und Pferden aus anderen Teilen der Welt in diesem Jahr nur eingeschränkt stattfinden. Die Handicapper werden es daher schwer haben, die Pferde so weit nach oben zu bringen, wie sie es gerne möchten, denn nur weltweite Vergleiche machen das möglich. Phil Smith prophezeit daher für dieses Jahr einen weiteren Rückgang der Durchschnitts-Ratings um mindestens 2 Pfund und empfiehlt dem European Pattern Committee, die Parameter für die Mindest-Anforderungen an die europäischen Grupperennen um mindestens 2,5 Pfund nach unten zu korrigieren.

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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