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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Es gibt nur ein Derby

30. Juni 2021

In den letzten Tagen ging es ja recht turbulent zu, was das 152. IDEE Deutsche Derby angeht. Jetzt steht das Starterfeld und es ist tatsächlich so gekommen, dass alle laufen dürfen, die wollen, lange Zeit sah es nicht danach aus. Sampras, die bisherige Nummer 1 in der Starterliste, wurde zur Vorstarterangabe aus dem Rennen genommen, weitere Spekulationen über dessen Chancen erübrigen sich damit.

Wenn tatsächlich alle als Starter angegebenen Pferde am Sonntag auch laufen, gingen zum ersten Mal seit 2010 und zum siebten Mal überhaupt wieder einmal 20 Pferde auf die Derbyreise. Das ist die höchstmögliche Anzahl, seitdem das Starterlimit 1985 aus Sicherheitsgründen von 24 auf 20 herabgesetzt wurde. Ein Grund für den Andrang ist auch, dass das Derby 2021 in seinem Ausgang so offen erscheint wie selten zuvor. Zwischen den ersten 19 Pferden im Starterfeld liegen nach Handicapmarke nur vier Kilo, was auf einer Distanz von 2400 Meter nicht mehr als drei Längen ausmacht. Ein weiterer Grund ist, dass ein Pferd das Derby nur einmal in seinem Leben gewinnen kann. „There is only one Derby“, sagte Scheich Mohammad vor wenigen Wochen zum noch zögernden Trainer Charlie Appleby und entschied damit die Frage, ob der spätere Sieger Adayar in Epsom an den Start gehen sollte oder nicht. Ja – auch bei uns gibt es nur ein Derby, und es ist gut so, dass dieses Rennen auch nach mehr als 150 Jahren nichts von seiner Anziehungskraft auf die Besitzer von dreijährigen Vollblutpferden eingebüßt hat.

Für ein Spektakel ist also gesorgt. Da spielt es auch kaum eine Rolle, das die Qualität des Derbyfeldes – gemessen an den Handicapmarken, die sich bis auf eine Ausnahme (Liban, 85,5) zwischen 92 kg und 88 kg bewegen – den sonst üblichen Standard nicht erreicht. Irritierend auch die Tatsache, dass sich unter den 20 Startern nur ein Gruppesieger (Sea of Sands) und ein Listensieger (Aff un zo) befindet. Die Sieger in all den anderen Derby-Trials, also Lambo, Mythico, Best of Lips und Quebueno, sind nicht dabei, aus unterschiedlichen Gründen. 

Bemerkenswert auch, dass Alter Adler noch nicht einmal an einem Gruppe- oder Listenrennen teilgenommen hat und trotzdem der Favorit der Buchmacher ist. Das mag alles nicht viel heißen, vielleicht steckt im Derbyfeld trotz allem ein zukünftiger Star. Wer hätte zum Beispiel vor einem Jahr eine Karriere vorhersehen können, wie In Swoop sie nach dem Derbysieg hingelegt hat, und dass der Derbyzweite das Jahr als „Galopper des Jahres“ beenden würde.

Wie schon im vorigen Jahr, so soll auch diesmal die Checkliste mit dem Anforderungsprofil an einen künftigen Derbysieger nicht fehlen. Zehn Merkmale sind aufgeführt, die ein kommender Derbysieger nach Möglichkeit aufweisen sollte. Der Einzige, bei dem diesmal alle Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können und bei dem daher in jeder Box ein Häkchen steht, ist Sea of Sands, der auch die Satteldecke mit der Nummer 1 an den Derbystart tragen wird. Weniger als sieben Häkchen hat es in den vergangenen 25 Jahren bei keinem Derbysieger gegeben. Der Sieger wäre diesmal also unter den Pferden Sea of Sands, Dolcetto, Sun of Gold, Aff un zo, Vallando, Sky Out und Alter Adler zu suchen. Klick zur Checkliste.

 

* * *

„Treffen der Generationen“ ist der Titel des siebten Films im fiktiven Star-Trek-Universum. Er markiert einen entscheidenden Punkt in der Geschichte der Star-Trek-Kinofilme, denn die Crew um Captain Kirk verabschiedet sich und macht Platz für die Mannschaft von Captain Picard, daher vielleicht der Titel des Films. Im Galoppsport spricht man von einem Generationentreffen, wenn Pferde verschiedener Jahrgänge aufeinanderstoßen, vor allem, wenn Dreijährige gegen Ältere antreten.

Bei uns besteht dazu auf höherer Ebene erstmals im Dortmund Grand-Prix die Gelegenheit, jenem Gruppe 3-Rennen, das seit 1968 immer im Juni gelaufen wird und das mit Ausnahme der Jahre 1968-72 und 1977-1982 auch Dreijährigen offen war. Der erste dreijährige Sieger war 1975 Wladimir, danach folgten noch neun andere, der letzte war 2012 All Shamar, der zwei Wochen später nach Hongkong verkauft wurde. Die Dreijährigen konnten also von den 43 Entscheidungen zehn gewinnen, was einer Erfolgsrate von 23 Prozent entspricht. Da sie nur 18 Prozent der Starter stellten, waren sie also überproportional erfolgreich. Die meisten Siege liegen allerdings schon einige Jahre zurück, was auch daran liegen mag, dass sich die Gewichte im Laufe der Jahre zu Lasten der Dreijährigen verschoben haben. So stand – um langsam zum eigentlichen Thema zu kommen – Mythico am vorigen Sonntag in Dortmund beim wettstar.de-Dortmund Grand Prix dreieinhalb Kilo schlechter im Rennen als die meisten seiner älteren Konkurrenten und sogar viereinhalb Kilo gegenüber der Siegerin Liberty London. Man braucht kein Rechenkünstler zu sein, um festzustellen, dass diese Aufgabe für Mythico kaum zu lösen war. Da Liberty London mit einer frischen 92-Kilo-Form angetreten war, hätte Mythico schon mehr als 96,5 Kilo zeigen müssen, um die Ittlingerin zu schlagen. Das kann er nicht, jedenfalls jetzt noch nicht.

Man hätte unserem 2000 Guineas-Sieger also keinen Vorwurf machen können, wenn er in der Nähe der Siegerin durchs Ziel gegangen wäre. Aber leider waren es acht Längen, um die er geschlagen war und das stellt einem Mehl-Mülhens-Sieger erst einmal kein gutes Zeugnis aus. Was ist da los, taugt vielleicht der ganze Jahrgang nichts? Noch ist es zu früh für eine Antwort, aber leise Zweifel sind doch angebracht, auch wenn wir auf das Derby und die Vorleistungen der Kandidaten dort blicken. Mythico galt zu Beginn der Saison ja als Derbypferd, so wie es seine Abstammung auch glauben läßt. 

Nach einem schwachen Saisonstart über 2100 Meter im Prix Noailles in Longchamp, als er mit einer 82-Kilo-Leistung nur Vorletzter wurde, hat man den ursprünglichen Plan umgestoßen und ist auf die Meilenroute eingeschwenkt. Nach einem dritten Platz im Busch-Memorial folgte der Sieg im klassischen Mehl Mülhens-Rennen.

Der Dortmund Grand Prix sollte jetzt eigentlich der Aufgalopp für den Dallmayr-Preis am 25. Juli sein, mal sehen, ob es dabei bleibt. Zur Leistung in Dortmund ist zu sagen, dass sie für Mythico nicht mehr als 88 Kilo wert war, was sich über die 90 kg des Zweitplatzierten Sahib´s Joy berechnen lässt. Liberty London, die leicht gewann, bestätigte ihre 92 Kilo aus dem letzten Rennen. Eine höhere Marke verhinderten Wildfang und Navratilova auf den Plätzen drei und fünf, die ihre bisher mit Abstand besten Leistungen zeigten. Mythico war übrigens erst der zweite Mehl-Mülhens-Sieger, der das Dortmunder Rennen bestritten hat. Der erste war Santiago, er gewann.

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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