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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Das perfekte Rennpferd

18. Mai 2021

„Das Kennzeichen wahrer Größe eines Rennpferdes besteht darin, in erstklassiger Gesellschaft über Distanzen von 1200 bis 3200 Meter gewinnen zu können“. Derjenige, der das gesagt hat, war John Hislop, der 1994 im Alter von 83 Jahren verstorbene britische Amateurrennreiter, Journalist, Buchautor und Vollblutzüchter."

Er nannte auch drei Pferde, deren Leistungen diesen Anforderungen aus seiner Sicht am meisten entsprachen: Bahram, Hyperion und Ribot, und zwar in dieser Reihenfolge. Das Zitat stammt aus einer Zeit, bevor Hislop mit Brigadier Gerard selbst eines der besten Rennpferde aller Zeiten und Länder züchtete. Der Distanzradius des „Brigadiers“ reichte allerdings „nur“ bis 2400 Meter, alle sonstigen Kriterien für ein perfektes Rennpferd im Hislop´schen Sinne erfüllte er aber in vorbildlicher Weise, indem er Gruppe I-Rennen über 1200, 1600, 2000 und 2400 Meter gewann und überhaupt bei 18 Starts nur einmal – unter rätselhaften Umständen – geschlagen wurde.

In den 50 Jahren, die seitdem vergangen sind, hat sich manches verändert. So würde heute auch niemand mehr von einem Pferd zum endgültigen Nachweis seiner Klasse verlangen, ein Rennen über eine Extremdistanz zu gewinnen. Und doch: Die Sehnsucht nach dem perfekten Rennpferd ist immer noch gegenwärtig und äußert sich zum Beispiel in der Hoffnung auf einen Gewinner der „Dreifachen Krone“, einer Serie von drei Rennen über eine kurze, mittlere und lange Distanz, die es auch heute noch in mehr als 30 Rennsport treibenden Ländern gibt. Contrail (Japan), Justify und American Pharoah (beide USA) sind prominente Triple Crown-Sieger aus unserer Zeit, Hongkongs Superstar Golden Sixty soll es am Sonntag auch schaffen, wenn er im Champions & Chater Cup läuft. Der letzte Triple Crown- Sieger aus einem der großen europäischen Rennsportnationen war tatsächlich Königsstuhl, dem es 1979 als erstem und einzigem Pferd gelang, Henckel (jetzt Mehl-Mülhens)-Rennen, Derby und St. Leger zu gewinnen. Die anderen Triple Crown-Siege in Europa liegen noch länger zurück. In England war es Nijinsky im Jahre 1970, in Italien Botticelli 1954, in Irland Windsor Slipper 1942 und in Frankreich muss man sogar bis 1899 zurückgehen, um mit Perth das letzte Pferd zu finden, das die dortige Version der dreifachen Krone gewonnen hat. Nicht ungenannt sollen hier noch die Gewinner der Dreifachen Krone der DDR sein, Faktotum (1955), Gidron (1979) und Lomber (1987). In Deutschland hatten nach Königsstuhl nur noch drei weitere Pferde die theoretische Chance auf den Gewinn der Dreifachen Krone. Aber Orofino und Philipo waren nach Siegen in den ersten beiden Rennen gesundheitlich nicht mehr auf dem Posten und mussten die Saison vorzeitig beenden, das Gestüt Fährhof zog 1996 mit Lavirco einen Start im Preis von Europa vor. Von den deutschen Rennen zur Dreifachen Krone hat vor allem das St. Leger einen Imageverlust hinnehmen müssen, seit 2007 ist es wegen drohendem Startermangel sogar für ältere als dreijährige Pferde offen. Aber nicht nur deswegen wird es weitere Triple-Crown-Sieger bei uns auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Denn auch das Mehl-Mülhens-Rennen, das am Pfingstmontag in Köln zum 149. Mal zur Entscheidung gelangt, hat bei den Rennställen aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen zunehmend an Attraktivität eingebüßt.

Sind in den 20 Jahren zwischen 1981 und 2000 außer dem erkrankten Mandelbaum noch alle anderen 16 deutschen Henckel- bzw. Mehl-Mülhens-Sieger (dreimal gewannen englische Pferde) auch im Deutschen Derby gelaufen, so war es zwischen 2001 und 2020 nur ein einziger: Lucky Lion, der 2014 hinter Sea The Moon Zweiter wurde. Alle anderen zehn deutschen Sieger (neun Mal gewannen ausländische Pferde) blieben dem Derby fern, entweder waren sie nicht genannt oder fehlten aus anderen Gründen. Auch die Qualität der Mehl-Mülhens-Sieger hat – bei allem Respekt – nachgelassen. Uneingeschränkt internationale Klasse mit einem Jahresend-Rating von 103,5 kg kann von den letzten 20 Siegern nur dem Engländer Excelebration bescheinigt werden. Lucky Lion (99 kg) kam wenigsten nahe an die 100 Kilo-Marke heran, gute Pferde waren auch Martillo, Precious Boy, Irian und Karpino mit einer Einschätzung von jeweils 98 kg. Aber welch ein Unterschied zu den Jahren zwischen 1981 und 2000, als Champions wie Orofino, Lirung, Kondor, Turfkönig, Platini, Kornado, Royal Abjar, Lavirco, Tiger Hill oder Sumitas in diesem Rennen siegten.

Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen können noch acht Pferde am Pfingstmontag in Köln im ersten klassischen Rennen des Jahres an den Start gehen. Nur zwei davon sind noch im Deutschen Derby engagiert, Best of Lips und Sampras.

 

* * *

 
 

Kürzlich hatte ich an dieser Stelle etwas über Pferde geschrieben, die mit ausländischer Handicapmarke direkt an einem Ausgleich auf einer deutschen Rennbahn teilnehmen. Ich bin daraufhin gefragt worden, ob es nicht so etwas wie eine Umrechnungstabelle für internationale Ratings und französische Valeurs gibt. Nun werden viele, wenn nicht die meisten Trainer aufgrund der schon seit langen Jahren geübten Praxis schon wissen, mit welcher Marke sie ungefähr rechnen können, wenn ihnen ein Pferd aus Frankreich oder England in den Stall gestellt wird. Ich schließe das auch aus der Tatsache, dass es über vereinzelte Nachfragen hinaus kaum zu Klagen in diesem Bereich kommt. Aber eine Tabelle –ja, die gibt es auch. Sie ist sogar Teil der Rennordnung (Seite 181 in der aktuellen Fassung), sie endet allerdings schon bei einem GAG von 85 kg, was einem internationalen Rating von 90 lbs. und einem Valeur von 45 kg entspricht. Nun kann man diese Zahlen natürlich einfach linear weiter nach unten führen. 

Das würde bedeuten, dass die schwächsten englischen (Rating 30) und französischen Pferde (Valeur 15) dann mit einem GAG von 55 kg im Handicap antreten müssten, damit wären sie chancenlos. Das liegt daran, dass alle Rennpferde in Frankreich und England in einer Spanne von ca. 45 Kilo zusammengefasst sind, während diese Spanne in Deutschland 55 Kilo beträgt – am unteren Ende fehlen also 10 Kilo. Um zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, muss man deshalb in größeren Schritten nach unten gehen. Übersetzt man ein englisches Rating von 65 bzw. ein französisches Valeur von 28 in ein GAG von 66 kg, wird man zu recht guten Ergebnissen kommen. Von dort aus kann dann nach oben oder nach unten gerechnet werden, nach unten in etwas größeren Schritten. Die Tabelle dazu, die auch schon in den letzten BBAG-Auktionskatalogen abgedruckt war, gibt es hier.

Dazu muss gesagt werden, dass die Tabelle nur einen durchschnittlichen Fall abbildet. Von den genannten Zahlen kann im Einzelfall abgewichen werden, denn ein Pferd, das z.B. über einen längeren Zeitraum nicht gelaufen ist oder ohne jede Form war, muss anders behandelt werden als ein Pferd, das gerade in einem Ausgleich gesiegt hat oder platziert gelaufen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die französischen Handicapper ihre Zwei- und Dreijährigen nach den ersten Starts mit einem erhöhten Gewicht ausstatten, dem sogenannten „poids de mefiance“. Das kann wörtlich mit Mißtrauensgewicht übersetzt werden, ist aber eher als „vorsichtig erhöhtes Gewicht“ zu verstehen.

Frankreich

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Valeur GAG
45 90,0
44 88,0
43 86,0
42 84,0
41 82,0
40 80,0
39 79,0
38 78,0
37 77,0
36 75,5
35 74,0
34 73,0
33 72,0
32 71,0
31 70,0
30 69,0
29 67,5
28 66,0
27 64,5
26 63,0
25 61,5
24 60,0
23 58,5
22 57,0
21 55,5
20 54,0
19 52,5
18 51,0
17 50,0
16 49,0
15 47,5
14 46,0
13 44,0

England/Irland

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Rating GAG
120 100
115 97,5
110 95
105 92,5
100 90
90 85
89 84
88 83
87 82
86 81
85 80
84 79
83 78
82 77
81 76
80 75
79 74,5
78 73,5
77 73
76 72
75 71
74 70,5
73 70
72 69,5
71 69
70 68,5
69 68
68 67,5
67 67
66 66,5
65 66
64 65,5
63 64,5
62 63,5
61 63
60 62,5
59 61,5
58 60
57 59
56 58,5
55 57,5
54 56,5
53 55,5
52 54
51 53,5
50 52,5
49 52
48 51,5
47 50,5
46 49,5
45 48,5
44 48
43 47,5
42 47
41 46,5
40 46
39 45,5
38 45
37 44,5
36 44
 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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