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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Auf dem Weg nach oben

21. April 2021

Wenn ein Dreijähriger in Baden-Baden ein Handicap mit elf Längen Vorsprung gewinnt, dann sollte man aufmerksam werden. Das war so 2015 bei Iquitos und auch im Vorjahr bei Nerium. Wo das bei Iquitos hingeführt hat ist bekannt: dreifacher Gruppe I-Sieger, drei Mal in Folge 99 Kilo im Jahres-Generalausgleich und zweimal Galopper des Jahres. Um dahin zu kommen ist es für Nerium allerdings noch ein weiter Weg, er ist aber auf bestem Wege dazu. Der erste Schritt wurde am Sonntag in Köln getan, als er mit dem G2-Carl Jaspers-Preis, dem ehemaligen Gerling-Preis, überzeugend sein erstes Grupperennen gegen Kaspar und Sunny Queen gewann.
Es war nicht ganz leicht, eine neue Marke für Nerium zu finden. Es gab – wie das mitunter der Fall ist – mehrere Möglichkeiten: eine optimistische und eine pessimistische. Da ich, ehrlich gesagt, vom Pessimismus im Augenblick genug habe, diesmal also die optimistische Variante. Das hat dazu geführt, dass jetzt nicht nur Nerium mit einer neuen Bestmarke ausgestattet ist (97 kg=Rating 114), sondern dass sich in seinem Sog auch Dato als Vierter auf 93,5 kg gesteigert hat. Dazwischen die beiden 97,5 kg-Pferde Kaspar und Sunny Queen, deren Marken erst einmal unverändert bleiben, denn immerhin hatten beide gegenüber ihren Konkurrenten den Nachteil des Jahresdebüts. Alles in allem waren das auf den vorderen Plätzen ordentliche Leistungen, die noch etwas besser hätten ausfallen können, wenn der Reiter von Windstoß in der zweiten Röttgener Farbe an der Spitze für etwas mehr Tempo gesorgt hätte. Das ist ihm sicher auch aufgetragen worden, andernfalls ergäbe sein Start in diesem Rennen keinen rechten Sinn. Mit Pacemakern ist und bleibt es eine schwierige Sache, gerade hier in Deutschland.

Nerium, Kaspar und Dato könnten sich in sechs Wochen in Mülheim im Ersatzrennen für den Großen Preis der Badischen Wirtschaft wiedertreffen und dort auch auf neue Gegner stoßen. Sechs Wochen bedeuten allerdings eine ziemlich lange Pause, aber es gibt auf den Steherdistanzen zwischen 2200 und 2400 Meter derzeit nur wenig Alternativen. Für einen Gerling (bzw. Carl Jaspers)-Preis-Sieger ist dieses Rennen auch der nächste logische Schritt. Bei einem Blick auf die Siegerlisten erstaunt, wie wenige Pferde bisher beide Rennen im selben Jahr gewinnen konnten. Seitdem der Große Preis der Badischen Wirtschaft, der in diesem Jahr Großer Preis der rp-Gruppe heißen soll, über 2200 Meter gelaufen wird (also seit 1983) haben überhaupt nur zwei Pferde das Doppel geschafft, und das ist auch schon eine Weile her: 1984 Abary und 1986 Acatenango.

* * *

Für einen Besitzer ist der Rennsport keine leichte Sache, man erlebt mehr Niederlagen als Erfolge, aber das bildet bekanntlich auch den Charakter. Noch mühevoller allerdings ist das Züchten von Vollblütern, vor allem erfordert es noch erheblich mehr Geduld. Ein sicheres Erfolgsrezept ist auch noch nicht gefunden, obwohl viele es gesucht und manche auch gefunden zu haben glaubten, wie die Anhänger des Zahlensystems von Bruce Lowe, Vuilliers Dosage-Methode oder Teichmanns Chromosomen Theorie. Letztlich mussten aber alle einsehen, was schon vor mehr als hundert Jahren der alte Graf Lehndorff reimte:

Wer Vollblut züchtet, der muss auf Erden
Mindestens fünfhundert Jahre alt werden,
Um dann am Ende einzusehn´n,
Dass wir doch alle nichts versteh´n.

Jürgen Imm jedenfalls, zusammen mit seiner Frau Ursula Besitzer des Stalles Nizza und auch Züchter von Nerium, hat vor etwas mehr als 20 Jahren mit dem Züchten angefangen und bekannte einmal, sich nach keinem züchterischen Rezept zu richten, sondern sich auch auf das Glück zu verlassen. Dieses Glück stand ihm besonders zur Seite, als er auf der BBAG-Auktion im Herbst 2003 für nur 8000 Euro die dreijährige Nicolaia kaufen konnte. Wenige Wochen vorher war schon deren Bruder, der Jährling Nicaron auf recht glückliche Weise in seinen Besitz gekommen, denn Imms damaliger Trainer des Vertrauens, Horst Steinmetz, hatte Nicaron eigentlich für jemanden anderen ersteigert, der dann aber absprang. Nicaron gewann dann bekanntlich das Derby und Nicolaia wurde ein Glückstreffer als Mutterstute. Sie brachte mit Nicolosio (GAG 95,5 kg), Nicea (93,5), Nexius (92), Nubius (88) und Nerium (97) bisher fünf Volltreffer.
Was Nerium angeht, so muss das Ehepaar Imm allerdings auf die Züchterprämie für dessen Gewinne verzichten. Erfolge des Hengstes sind nicht prämienberechtigt, da seine Mutter sich seinerzeit dauerhaft in Irland aufgehalten hat. Das weckt Erinnerungen an die tragische Geschichte von Nicarons Züchter Wilhelm Fasching, dessen Malerbetrieb kurz vor dem Derby zahlungsunfähig wurde und dem die Insolvenzverwalterin daraufhin auch die Mutterstuten wegnahm. Die Prämie floss an den Zuchtfonds des damaligen Direktoriums.
Nerium ist übrigens die griechische Bezeichnung für Oleander. War da nicht mal was? Ja – das war der große Schlenderhaner, dreifacher Sieger im Großen Preis von Baden und bis heute eine Ikone des deutschen Galoppsports. Den richtigen Namen für eine weitere große Karriere hat Nerium also schon einmal.

Nerium mit Bauyrzhan Murzabayev und Trainer Peter Schiergen nach dem Sieg im Carl Jaspers Preis
Nerium mit Bauyrzhan Murzabayev und Trainer Peter Schiergen nach dem Sieg im Carl Jaspers Preis
 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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