Login
Online-Service
Schliessen
Login

Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Jahres-Generalausgleich und World Rankings

25. Januar 2023

Wie alle Jahre, so erscheint auch diesmal im Januar wieder der Jahres-Generalausgleich. Anlass genug, die Winterpause beim Handicapper Blog zu unterbrechen. Der diesjährige Jahresausgleich bringt insofern eine Besonderheit, als das Niveau angehoben wurde. Bis 75 kg um 4 Kilo, danach bis zu 87 kg mit einem gleitenden Zuschlag, der zum Schluss nur noch ein halbes Kilo beträgt. Eine ursprünglich vorgesehene Erhöhung bis 91 kg ließ sich nicht verwirklichen, da ansonsten Konflikte mit den von den europäischen Handicappern festgelegten Gewichten in den Gruppe- und Listenrennen entstanden wären.

Für die Anhebung des Generalausgleichs gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind die Gewichte im Laufe der Zeit nach unten gerutscht und haben besonders im Bereich der für den Ausgleich II und Ausgleich I relevanten Gewichte eine Lücke hinterlassen. Als Folge davon leiden die besseren und guten Ausgleiche häufig unter Startermangel. Durch die Erhöhung ist jetzt die Grundlage dafür geschaffen, dass sich das ändern kann. Zum anderen, und das ist ein weiterer Grund für die Anhebung, gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass unsere Handicap-Pferde besser sind, als die Zahlen es bisher ausgedrückt haben. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass in Deutschland trainierte Pferde bei Starts in Frankreich nahezu regelmäßig auf deutlich höhere Handicap-Marken kommen. Umgekehrt ist es erforderlich, von Startern mit französischer Handicapmarke, aber auch von den Ratings der englischen oder irischen Importpferde, in deutschen Ausgleichsrennen deutliche Abzüge von der offiziellen Umrechnungstabelle vorzunehmen, um sie überhaupt wettbewerbsfähig zu machen. Auch die Tatsache, dass vermehrt Handicapper mit Marken zwischen 70 und 80 in Listen- oder sogar Grupperennen nach vorne laufen, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass unsere Ausgleichspferde höhere Marken verdienen und näher an der Listenklasse stehen als die Zahlen vermuten lassen. Trainer und Besitzer brauchen aber keinen Schreck zu kriegen, dass ihre Pferde nun plötzlich höher stehen. Da alle Pferde davon betroffen sind, ändert sich das Verhältnis der einzelnen Pferde zueinander nicht oder (im Bereich von mehr als 75 kg) nicht wesentlich.

* * *

 

In der vorigen Woche sind die World- und European-Rankings veröffentlicht worden, mit einem für den deutschen Rennsport erfreulichen Ergebnis. In die World Rankings (115=97,5 kg und höher) schafften es vier in Deutschland trainierte Pferde, in die europäische Rangliste (100 bis 114 = 95 bis 97 kg) weitere 19. Mit insgesamt 23 Pferden wurde damit das beste Ergebnis seit 2017 erreicht. Mit 163 aufgenommenen Pferden steht England deutlich an der Spitze der europäischen Nationen, gefolgt von Frankreich (49), Irland (34), Deutschland (23) und Italien (2).

Deutlich an der Spitze der deutschen Galopper steht wenig überraschend Torquator Tasso. Mit seiner Marke von 124 (102 kg) kommt er bis auf einen Punkt an das Vorjahrsergebnis heran, was einmal mehr seine überragende Stellung unter den Rennpferden in Deutschland beweist. Sein Halbbruder Tünnes folgt als nächstes mit gewiss stolzen 100 kg, die er sich als Zehn-Längen-Sieger im G1-Allianz Großen Preis von Bayern verdient hat. Ein Sieg mit so großem Vorsprung auf schwerem Boden macht ja immer etwas nachdenklich, aber es war schließlich nicht sein einziger imponierender Sieg, auch das Deutsche St. Leger sah ihn im Ziel acht Längen vor der Konkurrenz. Er ist damit der 20. Deutsche Galopper, der in diesem Jahrhundert 100 Kilo oder mehr im Jahres-Generalausgleich erreicht hat. Die anderen sind Torquator Tasso, Dschingis Secret, Protectionist, Ivanhowe, Sea The Moon, Novellist, Pastorius, Danedream, Scalo, Getaway, Wiener Walzer, It´s Gino, Adlerflug, Kamsin, Dai Jin, Boreal, Next Desert, Silvano und Samum.

Mendocino geht jetzt mit 98,5 kg ins neue Jahr, eine neue Bestmarke. Sammarco dagegen blieb leider bei 97,5 kg stecken, ich hätte mir zumindest 98 kg gewünscht, nach seiner Form aus dem Preis von Europa. Aber wie schon im Vorjahr fand die World Best Racehorses-Konferenz nicht in Präsenz sondern über Zoom statt, was eine Beschränkung der Teilnehmer auf die Mitglieder des Executive Committees zur Folge hatte, zu denen ich nicht gehöre. Es gibt aber Signale, dass die Konferenz in diesem Jahr wieder wie gewohnt in Hongkong stattfinden soll.

* * *

Torquator Tasso; Foto: Frank Sorge/Galoppfoto.de
Torquator Tasso; Foto: Frank Sorge/Galoppfoto.de
 

Zum weltbesten Pferd wurde wie erwartet Flightline gekürt, der mit einem Rating von 139 in die Konferenz hineinging und mit einer Marke von 140 (110 kg) wieder herauskam. Er wurde damit auf eine Stufe mit Frankel gestellt. Das wurde vor allem in Großbritannien mit einiger Skepsis aufgenommen, wo man sich – womöglich zu Recht – immer noch für den Nabel der Rennsportwelt hält. Dass ihrem unvergleichlichen Frankel jetzt mit Flightline ein nur fünf Mal gelaufenes Sandbahn-Pferd an die Seite gesetzt wurde, konnten viele Kommentatoren nur schwer nachvollziehen. Dafür wurde die Flightline-Wertung in den Vereinigten Staaten mit Beifall aufgenommen, wo man fest der Ansicht ist, dass Flightlines 19 ¼-Längen-Sieg im Pacific Classic die beste Leistung eines US-Galoppers ist, seit Secretariats 31-Längen-Sieg in den Belmont Stakes im Jahre 1973. Es darf aber daran erinnert werden, dass trotz Frankel und Flightline immer noch Dancing Brave an der Spitze sämtlicher World Rankings (oder International Classifications, wie es damals hieß) steht. Er bekam 1986 für seinen Sieg im Prix de l´Arc de Triomphe (in dem Acatenango Siebter wurde) die Marke von 141. Ende des Jahres 2012 wurde der Versuch gemacht, die aus der Anfangszeit der Classifications stammenden Marken, die zu Recht als zu hoch empfunden wurden, durch eine „Re-Calibration“ auf ein heute realistisches Maß zu reduzieren. Dancing Brave fiel dadurch auf ein Rating von 138. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir Handicapper bei der Konferenz im Dezember 2012, als es um die Marke von Frankel ging, davon ausgingen, dass diese Re-Calibration von der International Federation of Horseracing Authorities (IFHA) authorisiert sei und wir glaubten, dass Frankel mit einem Rating von 140 zwei Punkte über Dancing Brave zu stehen käme. Sechs Wochen später wurde diese Nachjustierung jedoch in Paris von der IFHA vehement abgelehnt. Ich bin mir sicher, dass mit diesem Wissen Frankel seinerzeit eine Marke von 142 erhalten hätte.

Flightline; Foto: Frank Sorge/Galoppfoto.de
Flightline; Foto: Frank Sorge/Galoppfoto.de
 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

Imagefilm

Deutscher Galopp Imagefilm