Chefhandicapper Harald Siemen spricht hier über Aktuelles zum Thema Handicappen.
Der „Laplacesche Dämon“ ist ein vor 200 Jahren vom französischen Mathematiker und Physiker Pierre-Simon Laplace in die Mathematik eingeführtes Gedankenexperiment, das eine Art Weltformel beschreibt, mit der das Berechnen der Zukunft möglich sein soll. Die Existenz des Laplaceschen Dämons darf inzwischen als widerlegt angesehen werden. Das ist auch deshalb bedauerlich, als damit die Möglichkeit entfallen ist, mittels dieser Formel den Ausgang von Pferderennen vorherzusagen.
„Das Kennzeichen wahrer Größe eines Rennpferdes besteht darin, in erstklassiger Gesellschaft über Distanzen von 1200 bis 3200 Meter gewinnen zu können“. Derjenige, der das gesagt hat, war John Hislop, der 1994 im Alter von 83 Jahren verstorbene britische Amateurrennreiter, Journalist, Buchautor und Vollblutzüchter."
Neulich schlug ich die Zeitung auf und las: „Finnland soll das Land der Steher werden“. Moment, dachte ich. Das Land der Steher ist ja wohl Deutschland. Und gibt es in Finnland überhaupt Galopprennen? Es stellte sich heraus, dass etwas ganz anderes gemeint war.
Der aufgrund seiner herausragenden Erfolge auch als „Hexer von Dormello“ bekannt gewordene italienische Züchter, Besitzer, Trainer und Politiker Federico Alessandro Bartolomeo Giuseppe Tesio (1869-1954) hat sich in seinem Buch „Vollblut – ein Tier zum Experimentieren“ auch einmal grundsätzlich über das Tempo beim Pferderennen geäußert. Nach der alltäglichen Feststellung, dass Sieger eines Rennens immer dasjenige Pferd sein wird, das die Distanz in der kürzesten Zeit zurücklegt, heißt es weiter: „Ein Jockey kann sein Pferd nicht zwingen, eine gegebene Distanz in kürzerer Zeit zurückzulegen, als es die natürliche Leistungsfähigkeit des Pferdes erlaubt.
Die Welt ist ja immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen. Über AstraZeneca zum Beispiel gibt es täglich neue Nachrichten und Erich von Däneken hat sogar ein ganzes Buch mit dem Titel „Neue Erkenntnisse“ geschrieben, in dem es – wie man sich bei diesem Autor denken kann – um Beweise für den Besuch von Außerirdischen geht. Auch vom Dr. Busch-Memorial am vorigen Samstag in Krefeld hat man weitere Aufklärung über das aktuelle Leistungsvermögen von einigen unserer besten Dreijährigen erhofft. Doch sensationell neue Erkenntnisse hat das Rennen nicht vermitteln können, die alte Ordnung ist erst einmal bestätigt worden.
Wenn ein Dreijähriger in Baden-Baden ein Handicap mit elf Längen Vorsprung gewinnt, dann sollte man aufmerksam werden. Das war so 2015 bei Iquitos und auch im Vorjahr bei Nerium. Wo das bei Iquitos hingeführt hat ist bekannt: dreifacher Gruppe I-Sieger, drei Mal in Folge 99 Kilo im Jahres-Generalausgleich und zweimal Galopper des Jahres. Um dahin zu kommen ist es für Nerium allerdings noch ein weiter Weg, er ist aber auf bestem Wege dazu.
Sodashi, das „weiße Wunder“ aus Japan, das so blendend weiß aussieht wie das Kleid der Persilfrau, hat am Sonntag auf der Rennbahn von Hanshin nahe Osaka ihr zweites Gruppe I-Rennen gewonnen. Sie bleibt damit auch nach fünf Starts weiter ungeschlagen. Und wie schon am 13. Dezember, als sie im japanischen Preis der Winterkönigin siegte, war auch diesmal im G1-Oka Sho, den Japanischen 1000 Guineas, Satono Reinas wieder ihre ärgste Gegnerin und im Ziel nur einen Hals zurück.
Wohl kaum ein Zweig des Sports ist mit Wilhelm Busch und dem Spruch „Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders als man glaubt“ so vertraut wie der Pferderennsport. Ja – man kann sogar so weit gehen, dass dieser gemeinhin unterschätzte Alltagsphilosoph mit dieser Lebensweisheit auf der Rennbahn geradezu allgegenwärtig ist. So auch am Ostermontag in Köln, als man von Wonderful Moon eine Leistung erwartete, die es ihm erlauben sollte, demnächst auf die große Bühne des Turfs zu treten. Das ist erst einmal krachend schiefgegangen und man weiß zum wiederholten Male nicht recht, was mit diesem doch so talentierten Galopper eigentlich los ist. Auch wenn der schöne Plan von einem Start im Prix Ganay wohl noch nicht endgültig beiseite gelegt ist, so hatte man sich den Saisonstart eines Hoffnungsträgers für 2021 doch anders vorgestellt
Es ist gut möglich, dass man in Leverkusen mehr über Ratibor weiß. Dass etwa der ehemalige Vertriebenenpolitiker Herbert Hupka dort Ehrenbürger ist, der große Baumeister Karl-Friedrich Schinkel das Gerichtsgebäude geplant hat und dass die Stadt früher zur preußischen Provinz Oberschlesien gehörte und heute zu Polen. Denn Leverkusen ist Partnerstadt von Ratibor. Dass aber Victor I., Herzog von Ratibor, von 1873 bis zu seinem Tode im Januar 1893 Präsident des Union-Klubs war, also der ersten leitenden Körperschaft des Galoppsports in Deutschlands und damit Vorgänger des Deutschen Galopps, des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen und der Obersten Behörde für Vollblutzucht und Rennen, das dürfte selbst das Wissen in Leverkusen übersteigen.
Als Herbst bezeichnen die Meteorologen den Zeitraum im Jahr, in dem die Erde sich auf ihrer elliptischen Bahn von der Sonne entfernt. Die Tage werden kürzer, die Sonne scheint nicht mehr so oft, die Menschen nehmen weniger Vitamin B12 auf und werden müde. Und auf den Rennbahnen ist der Boden weich oder sogar schwer. Dann schlägt die Stunde der Außenseiter, denn der Herbst ist auch die Jahreszeit der überraschenden Rennausgänge, angesichts derer einem oft nur übrig bleibt, sich mit dem Dichterwort zu trösten, wonach ein vollkommener Widerspruch gleich geheimnisvoll bleibt, für Kluge wie für Toren. Wer schon etwas länger dabei ist, dem fallen Namen ein wie Pawiment (1216:10), Acaio d´Aguilar (496:10), Days at Sea (304:19) oder Sharper (576:10), die es alle sensationell und auf weichem bis schwerem Boden zum Gruppe I-Sieger gebracht haben. Und fast 100 Jahre ist es her, seit Pan Robert, der König aller Außenseiter, am 26. Oktober 1924 auf der Rennbahn von Grunewald auf schwerem Geläuf das damals bedeutende Gladiatoren-Rennen zum Totokurs von 2248:10 gewann. Auch der Große Preis von Bayern hatte in seiner erst kurzen Münchener Zeit mit Guignol (337:10) schon einen Schocksieger zu verkraften gehabt. Am Sonntag nun, beim G1-Allianz Großen Preis von Bayern, kam eine weitere Überraschungssiegerin hinzu, denn mit Sunny Queen (237:10) gewann eine Stute, mit der kaum einer rechnen konnte.
Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.