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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Stuten im Fokus

30. Mai 2018

Dass sich die Zeiten ändern und wir uns mit ihnen, wollte wohl niemand bestreiten. Das hat, neben anderen, bereits Bob Dylan in seinem ikonischen Song „The Times They Are A-Changin“ von 1964 besungen. Auch im Galopprennsport ändern sich Zeiten und Gewohnheiten, wenn auch vielleicht etwas langsamer. Zu den Sachen, die sich geändert haben zählt zum Beispiel, dass in den deutschen 1000 Guineas kaum noch Stuten laufen, die später auch für den Henkel-Preis der Diana vorgesehen sind. Früher lief die beste Stute eines Stalles, ob Meilerin oder Steherin, wie selbstverständlich zunächst in den 1000 Guineas und orientierte sich erst danach in Richtung Diana. Das ist heute anders. Als „Galopp Intern“ vor ein paar Wochen 15 führende Trainer nach ihren besten dreijährigen Stuten fragte, war von den Genannten keine einzige am vorigen Sonntag im Starterfeld für die 98. WEMPE German 1000 Guineas zu finden. Wir leben eben in Zeiten des Spezialistentums. Spezialisten für Distanzen, für guten und weichen Boden, Linksherum und Rechtsherum. Tom Kerr schrieb vor einiger Zeit in der „Racing Post“: „Im Rennsport ist häufig ein Hang zu beobachten, auf den nächsten Tag zu warten, niemals den Hafen zu verlassen, bevor der Himmel nicht azurblau und die Wasser spiegelglatt sind.“ Alles muss passen. Bezeichnend ist, dass von den 12 in Deutschland trainierten 1000 Guineas-Siegerinnen seit dem Jahr 2000 nur eine am Preis der Diana überhaupt teilgenommen hat (Ajaxana, sie wurde Neunte). Sucht man die letzte Stute, die 1000 Guineas und Diana gewonnen hat, dann muss man bis ins Jahr 1998 zurückblättern, als Elle Danzig als vorerst letzte Stute das klassische Doppel gelang.

Nachdem – auch durch den Verkauf von Rock My Love und Narella und den Ausfall von Bützje – die vielleicht besten Stuten am Sonntag in Düsseldorf gar nicht dabei waren, konnte man schon ahnen, dass der Sieg wieder nach England gehen würde, zum dritten Mal in Folge. Reiste Unforgetable Filly vor Jahresfrist noch mit einem Rating von 93,5 kg an und Hawksmoor vor zwei Jahren mit 93 kg, so reichte diesmal für Nyaleti schon ein Rating von 92 kg für den Sieg aus. Und was war das für ein Sieg! Die 4 ½ Längen Vorsprung drücken einen Klasseunterschied aus, man braucht schon viel guten Willen, hier nicht von einer Blamage für die deutschen Stuten zu reden. Bleibt nur die Hoffnung, dass Nyaleti besser ist als ihr englisches Rating aussagt, eine Hoffnung, die nicht ganz unbegründet ist. Immerhin schlug sich Nyaleti im vorigen Jahr mit Gegnern wie Clemmie, Laurens, Billesdon Brooks, September und Masar herum, alles Pferde, die inzwischen Gruppe I-Sieger oder –Platzierte sind. Am Jahresende bekam sie dafür ein Rating von 110 (95 kg). Auf diese Marke haben wir sie jetzt wieder gesetzt, womit sie eindeutig zu den besseren Siegerinnen der German 1000 Guineas zählt. Mehr als 95 kg bekamen in den letzten 20 Jahren nur Mi Emma (97,5), Crimplene (96,5), Elle Danzig (96) und Rose of Zollern (95,5).

Video: WEMPE 98. German 1000 Guineas (Gr. II), Düsseldorf - Siegerin: Nyaleti

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Die German 1000 Guineas sind ja erst relativ spät ins deutsche Rennsystem eingeführt worden. Das erste Rennen fand im Revolutionsjahr 1919 statt, am 25. Mai auf der Grunewald-Rennbahn in Berlin. Kisasszony-Rennen lautete der Renntitel. Das ist ungarisch und würde übersetzt Fräulein-Rennen heißen. Aber nicht deswegen hieß das Rennen so, sondern der Titel geht auf eine 1869 geborene ungarische Stute dieses Namens zurück, die in der Zucht des Gestüts Schlenderhan Großes geleistet hat, vor allem als Mutter der ausgezeichneten Renn- und Zuchtstute Maria. Kisasszony lief übrigens im Deutschen Derby. Sie sollte Pace machen für ihren favorisierten Trainingsgefährten Primas, kam aber nicht dazu diese Rolle auszufüllen, weil sie schlecht vom Start kam. Primas erreichte auch ohne Führdienste als Erster das Ziel, musste aber nach einem Protest disqualifiziert werden, weil er „inwendig an einer Stange unweit der Wandsbeker Ecke vorgewischt ist“, wie sein Reiter gegenüber der Rennleitung einräumte. Da es hinter dem disqualifizierten Primas totes Rennen zwischen Seemann und Hymenaeus gegeben hatte, entschied das Los zugunsten von Hymenaeus über den Sieg. Ein kurioses Derby.

Der Titel Kisasszony-Rennen galt bis 1940, danach hieß das Rennen 42 Jahre lang Schwarzgold-Rennen, zu Ehren der Schlenderhaner Wunderstute. Nachdem die ARAG-Versicherung als Sponsor gewonnen war, hieß es zunächst ARAG-Schwarzgold-Rennen, bis nach einigen Jahren daraus ein ARAG-Preis wurde, angeblich, weil die Journalisten in ihrer Berichterstattung den Sponsorennamen wegfallen ließen und weiterhin immer nur vom Schwarzgold-Rennen redeten. Die Streichung des Namens Schwarzgold sorgte für einige Verstimmung im Hause Schlenderhan und führte dazu, dass in Köln ein neues, anderes Schwarzgold-Rennen entstand. Von 1997 bis 2005 stand Henkel-Rennen im Titel, seitdem heißt es in Anlehnung an das englische Original German 1000 Guineas, verbunden mit dem Namen wechselnder Sponsoren, derzeit eben mit dem der Uhren- und Schmuckmanufaktur Wempe, ein seit 140 Jahren bestehendes Familienunternehmen mit Sitz in Hamburg.

In der Siegerliste dieses Rennens findet man die Namen von einigen der besten deutschen Rennstuten aller Zeiten, darunter die der „Wunderstuten“ Nereide und Schwarzgold, aber auch Contessa Maddalena, Träumerei, Asterblüte, Liebeslied, Thila, Schönbrunn, Majorität, Alte Zeit und Elle Danzig. Auch Tulipan, die erste Siegerin aus dem Jahre 1919, war eine gute Stute und später auch Diana-Siegerin. Nach ihr schafften noch 28 weitere Stuten das klassische Doppel, zuletzt, wie gesagt, Elle Danzig.

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Der Handicapper ist für solche Sachen ja nicht zuständig, ansonsten käme Haley Moore, Reporterin beim britischen TV-Sender „At The Races“ und Schwester des Jockeys Ryan Moore, für ihren heldenhaften Einsatz beim Einfangen eines reiterlosen Pferdes in der vorigen Woche auf der Rennbahn von Chepstow, glatt auf 100 Kilo. „Normalerweise können wir solche Aktionen ja nicht gutheißen“, sagte Keith Ottesen, Geschäftsführer der walisischen Rennbahn, „aber wir wissen ja, aus welchem Stall sie kommt.“

Video: Hayley Moore - At The Races presenter amazingly catches loose horse

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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