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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Unbeliebtes Aufgewicht

21. Februar 2018

Heute soll einmal vom Aufgewicht die Rede sein, also vom Anheben eines aktuellen Ratings. Das ist im allgemein sehr unbeliebt, aber darauf darf man als Handicapper keine Rücksicht nehmen. Wer beliebt sein will, sollte einen anderen Beruf ergreifen. Zum System des Handicappens gehört ja, dass ein Rating nach oben korrigiert wird, wenn die zuletzt gezeigte Leistung über der aktuellen Handicapmarke liegt. Bei einem Sieg in einem Ausgleichsrennen ist das regelmäßig der Fall, das darauf folgende Aufgewicht ist zwar nicht beliebt, wird durchweg als unvermeidbar hingenommen, Differenzen gibt es nur noch über die Höhe. Es gibt aber etwas, was noch unbeliebter ist, als ein Aufgewicht nach einem Sieg: Ein Aufgewicht nach einer Platzierung. Das ist auch ganz verständlich: Ein Pferd ist geschlagen, der Besitzer ärgert sich und dann kommt der Handicapper und packt noch was drauf. Entsprechend vorsichtig gehen wir mit diesem Thema auch um. Aufgewichte nach zweiten und dritten Plätzen im Handicap sind sehr selten und beschränken sich auf Fälle, in denen ein formstarkes Pferd knapp geschlagen und klar vor den anderen durchs Ziel geht. In England, um wieder einmal auf das Mutterland dieses Sports zu schauen, ist das anders. Dort werden Platzierte in Handicaps regelmäßig mit „Penaltys“ belegt, in Frankreich wiederum kennt man so etwas gar nicht. 

Aufgewichte für Sieger in Ausgleichsrennen sind also obligatorisch, in Altersgewichtsrennen ist das aber nicht so. Ich spreche jetzt nicht von Gruppe- oder Listenrennen, sondern von Sieglosenrennen und den sogenannten kleinen Altersgewichtsrennen. In solchen Rennen steht ein Pferd leistungsmäßig häufig heraus, es braucht sein Können gar nicht voll zu zeigen und demzufolge besteht nach einem Sieg meistens auch kein Anlass, die Handicapmarke anzuheben. Platzierte in diesen kleinen Rennen sind ohnehin geschützt, seit wir uns vor zwei Jahren öffentlich verpflichtet haben, in Altersgewichtsrennen der Kategorien E und F kein Aufgewicht für Platzierte mehr zu geben und das Aufgewicht für Sieger auf maximal fünf bzw. drei Kilo zu beschränken. Sinn dieser Aktion ist, Trainern und Besitzern die Sorge zu nehmen, nach einem guten Laufen ihrer Pferde gegen im GAG weit höher stehende Pferde ungebührlich belastet zu werden.

Nun hat die Technische Kommission des Direktoriums die Handicapper im Herbst vorigen Jahres gebeten darüber nachzudenken, ob Ähnliches nicht auch für Rennen der Kategorie D für Dreijährige gelten soll, ob nicht in der zweiten Jahreshälfte als höchstes Aufgewicht für platziert gelaufene Pferde drei Kilo festgeschrieben werden können. Ich habe einmal nachgesehen, was wir Handicapper bisher gemacht haben. Also: In den vergangenen zwei Jahren hat es insgesamt 191 Fälle gegeben, in denen sich dreijährige Pferde, die bereits mit einem aktuellen Rating ausgestattet waren, in Sieglosenrennen in der zweiten Jahreshälfte (also ab dem 1. Juli) als Zweite, Dritte oder Vierte platziert haben. Aber nur in 21 dieser 191 Fälle haben wir das GAG dieser Pferde anschließend nach oben korrigiert, davon nur vier Mal um mehr als drei Kilo. Ob angesichts dieser Zahlen Handlungsbedarf besteht, erscheint doch fraglich.

* * *

Wenn ein Pferd mit einem niedrigen Rating in einem Rennen, das kein Ausgleichsrennen ist, gegen deutlich höher stehende Pferde antritt und dieses Pferd dann nach vorne läuft, dann darf man von einem falschen Management sprechen. In der Tat fragt man sich als Ausgleicher, warum – wie vor gar nicht langer Zeit geschehen – ein dreijähriges Pferd im September mit einem GAG von 52 Kilo (tiefer geht es kaum) in einem gut besetzten Sieglosenrennen läuft, anstatt sein Glück im Handicap zu versuchen. Als das Pferd dann Dritter wurde und es dafür fünf Kilo Aufgewicht gab, war das Gejammer erst einmal groß. (Das Pferd gewann später trotzdem und beendete das Jahr mit einer Marke von 63,5.) 

Dabei gibt es in der heutigen Zeit gar nicht mehr so viel zu managen. Hat ein Pferd erst einmal ein Sieglosenrennen gewonnen, bleibt meist nur die Handicaproute. Es gab aber einmal eine andere Zeit, mit jeder Menge kleiner Altersgewichtsrennen, in denen ein Pferd solange zugelassen war, als es nicht mehr als einen bestimmten Geldpreis gewonnen hatte, dessen Höhe sich meistens am Siegpreis eines Ausgleichs IV orientierte. Wer es geschickt anstellte, konnte sein Pferd jahrelang in diesen Rennen laufen lassen, ohne sich um den Handicapper zu kümmern.

Aber auch in Ausgleichsrennen war es durch geschicktes Management möglich, den Handicapper auszuschalten. Viele werden sich noch an die Zeit erinnern, als die Gewichte noch zwei Wochen vor dem Rennen veröffentlicht wurden und danach auch nicht mehr verändert werden durften. Gewann ein Pferd in der Zwischenzeit ein Rennen, gab es drei Kilo Pflichtaufgewicht, nicht mehr. Das konnte man ausnutzen. So erinnere ich mich noch gut an ein von Harro Remmert trainiertes Pferd namens Flush Term, der 1991 am ersten Sonntag des Frühjahrs-Meetings in Baden-Baden in einem besseren Altersgewichtsrennen ein Ausgleich-I-Pferd schlug. Eine Woche später besaß Flush Term mit einer Marke von 62 kg ein Engagement im Ausgleich III und war damit das, was man ein „gutes Ding“ nennt. Theoretisch hatte er mehr als zehn Kilo in der Hand und gewann denn auch mit Peter Alafi im Sattel, allerdings knapper als erwartet. Heutzutage wäre so etwas nicht mehr möglich, der Handicapper darf ein Gewicht jederzeit berichtigen, wenn es sein muss bis 9 Uhr am Renntag. Ist das nun besser oder schlechter? Darüber dürfte es geteilte Meinungen geben

Handicapper bei der Rennverfolgung
Handicapper bei der Rennverfolgung
 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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