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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Kölsche Wochen mit Bützje und Klüngel

18. April 2018

Die Namensgebung von Rennpferden ist kein uninteressantes, wenn auch stark vernachlässigtes Randgebiet unseres Sports. Nur wenige Züchter und Besitzer werden sich Gedanken darüber machen, welchen Einfluss ihre Entscheidung später einmal auf diejenigen Menschen haben wird, die am Renntag ratlos vor der Frage stehen, welches Pferd sie wetten sollen und die infolge dieser Ratlosigkeit dann auf dasjenige verfallen, dessen Name „so schön“ ist. So wird es auch am vorigen Sonntag in Köln vor dem Karin Baronin von Ullmann-Schwarzgold-Rennen gewesen sein: Kein „Gamble“, wie vereinzelt zu hören, sondern Sympathie für den Namen wird es gewesen sein, dass aus der Außenseiterin Bützje am Totalisator plötzlich eine Mitfavoritin wurde. Ein Bützje, das sei hier noch einmal gesagt, ist ein mit geschlossenen Lippen verabreichter Kuss auf die Wange, der verstärkt während der alljährlichen Karnevalssession im Rheinland, besonders aber in Köln, gebräuchlich ist. Eine Wette auf Bützje war angesichts derartiger Assoziationen für viele Kölner Pflicht, auch weil zuvor dasselbe Team schon mit dem Hengst Klüngel gewonnen hatte und auch noch nicht vergessen war, dass erst vor zwei Wochen die Pferde Jeföhl und Schabau sehr ordentlich abgeschnitten hatten, ebenfalls in Köln. Kölsche Wochen also in Weidenpesch.

Für den kühl arbeitenden Verstand des Handicappers ist für solche Überlegungen natürlich kein Raum. Er muss sich vielmehr mit der Frage auseinandersetzen, was er davon halten soll, dass Bützje zuletzt im Preis der Winterkönigin ungefähr 20 Längen hinter denselben Gegnern einkam, die sie jetzt mit sieben (Angelita), elf (Suada) und 16 Längen (Dina) schlug. Solange man nicht davon ausgeht, dass diese drei Pferde allesamt gar nichts mehr können, muss Bützje sich stark verbessert haben. Jeder, der lange genug auf die Rennbahn geht weiß, dass junge Pferde das können. Die entscheidende Frage ist nur, um wieviel Bützje sich verbessert hat. Ehrlich gesagt lässt sich darauf noch keine sichere Antwort geben. Es passiert immer wieder einmal (erfreulicherweise aber nicht zu oft), dass die Abstände in einem Rennen so groß sind, dass der Handicapper in Schwierigkeiten kommt, weil dann eigentlich nichts mehr auszurechnen ist, jedenfalls nicht mit der sonst üblichen Sicherheit. Dieses Schwarzgold-Rennen ist so ein Rennen. Angelita, Suada und Dina müssen alle deutlich unter Form geblieben sein. Denn wenn man annimmt, dass auch nur eine dieser drei Stuten ihr bisheriges Rating eingestellt hat, dann kommt für Bützje eine Marke heraus, die sie zu einer Spitzenstuten ihres Jahrgangs in Europa macht. Ich will nicht sagen, dass das nicht möglich sein kann, aber es ist bei vernünftiger Betrachtungsweise doch nicht sehr wahrscheinlich. Wenn das also so ist, dann muss nach einer Marke gesucht werden, die unter Berücksichtigung der historischen Perspektive, der äußeren Umstände (weicher Boden) und des Rennverlaufs mit gutem Gewissen vertreten werden kann. Das ist für uns eine Marke von 93 Kilo (Rating 106). Damit ist Bützje vorerst die Nummer eins unter unseren dreijährigen Stuten.
Um ihren von Start bis ins Ziel errungenen Sieben-Längen-Sieg einmal in Kontext zu früheren überlegenen Siegern zu stellen, habe ich einmal nachgesehen, welche Dreijährigen in den letzten 15 Jahren in Deutschland ein Grupperennen mit sieben Längen Vorsprung oder mehr gewonnen haben. Die Liste ist ebenso übersichtlich wie eindrucksvoll: Arcadio (Bavarian Classic mit 15 Längen), Sea The Moon (Derby, 11 Längen), Mi Emma (9 Längen, 1000 Guineas), Chopin (8 Längen, Busch-Memorial) sowie Adlerflug (Derby) und Excelebration (Mehl-Mülhens-Rennen), jeweils mit 7 Längen. Also alles gute bis sehr gute Pferde. Die Statistik spricht demnach für Bützje.

Bützje siegt im Karin Baronin von Ullmann-Schwarzgold-Rennen

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Im Jahre 2011 erschien in der amerikanischen „Daily Racing Form“ ein Artikel unter dem Titel „Zehn Rekorde im Galopprennsport, die nicht gebrochen werden können“. Darunter befanden sich so eindrucksvolle Leistungen wie Kent Desormeauxs 598 Jahressiege aus 1989, Secretariats 31 Längen Vorsprung in den Belmont Stakes 1973 und die dabei erzielte Zeit von 2:24 Minuten für die 2400 Meter, Kelsos fünfmalige Wahl zum Pferd des Jahres zwischen 1960 und 1964, aber auch die 56 Rennen umfassende Siegesserie von Camarero in Puerto Rico (1952-55). Nun hat die großartige Winx am vorigen Samstag in Sydney zwar ihr 25. Rennen in Folge gewonnen und dadurch mit Black Caviar gleichgezogen, die bei 25 Starts sogar ungeschlagen blieb – aber Camareros Rekord ist außer Reichweite, auch wenn Winx´ Trainer Chris Waller bisher noch keinen Termin für den Rennbahnabschied der Rekordstute genannt hat. (Wenn man Rennen in Puerto Rico nicht für voll nimmt, was einige tun, und sich zudem auf die „Neuzeit“ beschränkt und damit auch Kincsems 54 Siege nicht mitzählt, dann fehlt Winx jetzt nur noch ein Sieg zur alleinigen Rekordhalterin in Sachen Seriensiege.)
Es ist jetzt etwas mehr als drei Jahre her, dass Winx zuletzt verloren hat. Das war am 11. April 2015, als sie Zweite in den Australian Oaks wurde. Damals war sie ein Rennpferd wie viele andere, heute ist sie ein Kultpferd, das in Australien jeder kennt, auch wer mit dem Rennsport sonst nichts zu tun hat. Ihre Siegesserie begann am 16. Mai 2015 in den Sunshine Coast Guineas und es lohnt sich, dieses Rennen jetzt noch einmal zu sehen (Video unten). Ihr überragendes Können war damals schon zu erahnen, denn sie gewann gegen 17 Gegner vom letzten Platz und mit ihrer einzigartigen Fähigkeit zur Beschleunigung, ihrem Markenzeichen. Sie war in diesem Rennen Favoritin, so wie in jedem ihrer nachfolgenden Rennen auch. Sie gewann auf Distanzen von 1300 bis 2200 Meter, auf festem und auf schwerem Geläuf. Und sie hat auch nicht „nur“ australische Pferde geschlagen. Beim ersten Sieg im Cox Plate kam sie mehr als fünf Längen vor Highland Reel ins Ziel, beim zweiten nahezu zehn Längen vor Vadamos. Ein Start in Ascot, von dem in den vergangenen zwei Jahren immer wieder die Rede war, ist nun doch abgesagt worden. Das ist bedauerlich, aber verständlich. Black Caviar ist nach Ascot gegangen, war dann aber für den Rest des Jahres nicht mehr herauszubringen. Auch das mag eine Rolle gespielt haben, Winx diese Strapazen zu ersparen und sie stattdessen in Ruhe auf einen vierten Sieg im Cox Plate vorzubereiten, einem Rennen, das in Australien einen ähnlichen Stellenwert einnimmt, wie in Europa der Prix de l´Arc de Triomphe.
Winx ist genau vermessen worden. Sie ist kein kleines Pferd, bringt 530 Kilo auf die Waage und hat einen großen Galoppsprung. Vor allem aber bewegt sie sich schnell, galoppiert angeblich mit einer deutlich höheren Frequenz als alle anderen, wodurch sie in die Lage versetzt wird, in kürzester Zeit viel Boden gutzumachen. In den World Rankings hat sie 2016 und 2017 ein Rating von 132 (106 kg) erreicht, derzeit steht sie bei 129. Black Caviar kam 2011 ebenfalls auf 132, in den Jahren danach zwei Mal auf 130. Zum Vergleich noch die Ratings einiger der besten europäischen Stuten: Treve und Goldikova 130, Danedream, Zarkava und Enable 128.

Winx` erster Sieg aus ihrer 25` er Serie

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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