Login
Online-Service
Schliessen
Login

Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

Bestmarken auf Bewährung

29. Juli 2020

Kaffee ist ja der Deutschen Leibgetränk, mehr als 160 Liter trinken sie davon pro Kopf und Jahr. Das sind knapp vier Tassen pro Tag, aber Kaffee ist ja nur schädlich, wenn einem ein ganzer Sack davon aus dem fünften Stock auf den Kopf fällt. Das sagte jedenfalls Albert Darboven einmal. Mein Lieblingscafé in der Gegend, wo ich wohne, ist das Ahoi, eine kleine Kaffeebude am Niendorfer Hafen, wo noch selbst geröstet wird. An den großen Kaffeemarken ist Ahoi natürlich nicht zu messen, wobei auffällt, dass Unternehmen wie Darboven, Tchibo oder Jacobs alle starke Verbindungen zum Pferderennsport aufweisen oder einmal aufgewiesen haben. Und natürlich auch Dallmayr, das mehr als 300 Jahre alte Delikatessenhaus mit Stammsitz in der Dienerstraße im Herzen Münchens, unweit des Marienplatzes und des Nationaltheaters. Kaffee ist erst seit 1933 Teil des Dallmayr-Sortiments, seitdem der damals 19 Jahre alten Bremer Kaffeekaufmann Konrad Werner Wille einem Ruf nach München folgte und dort die Kaffeesparte aufbaute. Er knüpfte auch die Verbindungen zum Galopprennsport, erst als Besitzer, dann im Vorstand des Münchener Rennvereins und schließlich seit nunmehr 45 Jahren auch als Sponsor. Heute steht Wolfgang Wille als Mitinhaber des Unternehmens und Ehrenpräsident des Rennvereins hinter dem Großen Dallmayr-Preis, der in dieser Form, nämlich als Rennen der Gruppe I, am vorigen Sonntag in München-Riem zum 25. Mal entschieden wurde.
Barney Roy hat gewonnen, das war keine Überraschung. Er war das Klassepferd im Rennen, zweifacher Gruppe-1-Sieger mit einer Bestleistung von 100,5 kg (Rating 121). Die liegt zwar schon drei Jahre zurück, nachdem er die St James's Palace Stakes gewonnen hatte und in den Eclipse Stakes nur um eine Nase geschlagen war – aber er hatte inzwischen auch ein (erfolgloses) Jahr im Gestüt verbracht und musste auch im Vorjahr ein halbes Jahr Pause einlegen, nach einem achten Platz in den Queen Anne Stakes, als er sich ein Eisen abtrat. In diesem Jahr ist er auf bestem Weg, seine alte Form wiederzufinden, nach zwei Siegen im Winter in Dubai und einem dritten Platz in den G1-Prince of Wales's Stakes in Ascot. Sein Leistungsbarometer steht derzeit bei einem Rating von 116 (98 kg), und diese Marke sollte er am Sonntag auch in München gezeigt haben, wobei der drittplatzierte irische Wallach Patrick Sarsfield (96,5 kg=113) der Maßstab sein soll. Daraus ergibt sich der aus deutscher Sicht erfreuliche Umstand, dass die Marken von Quest the Moon und Durance nach oben justiert werden können, auf 97,5 kg bzw. 95 kg. Zugegeben, eine optimistische Sichtweise und sie bedarf bis Ende des Jahres noch einer Bestätigung. Quest the Moon hat damit die beste Leistung eines deutschen Pferdes seit mehr als einem Jahr gezeigt, zusammen mit dem vorjährigen Derbysieger Laccario hat er jetzt auch die höchste Marke aller Pferde in einem deutschen Rennstall.

München - 26. Juli 2020: Grosser Dallmayr-Preis (Gr. I) - Sieger: Barney Roy

Soweit das Positive. Doch bei allem Respekt vor den Leistungen von Quest the Moon und Durance muss doch festgestellt werden, dass es wieder nicht gelungen ist, ein Gruppe-I-Rennen im Lande zu halten. Sieht man einmal von Derby und Diana des Vorjahres ab (als die Deutschen unter sich waren), zum sechsten Mal in Folge. Danceteria, French King, Ghaiyyath, Aspetar, Nancho und jetzt Barney Roy hießen die Sieger in den größten deutschen Rennen der letzten 12 Monate, und von diesen war nur Ghaiyyath ein Pferd ersten internationalen Ranges, das bei einem Rating von 120 (GAG 100 kg) anfängt. Solche Pferde haben wir derzeit nicht, der letzte auf diesem Niveau war Dschingis Secret, bei Iquitos und Guignol hat an dieser Marke wenigstens nicht viel gefehlt. Jetzt freuen wir uns schon über 97,5 kg, das ist der kleinste Wert, um am Jahresende noch in das ungefähr 400 Pferde umfassende Welt-Handicap aufgenommen zu werden. Eigentlich kann es nur noch besser werden.

* * *

Als Untertitel führt der Große Dallmayr-Preis bis auf den heutigen Tag den Namen „Bayerisches Zuchtrennen“. Das hatte bis vor kurzem für den Besitzer des siegendes Pferdes die schöne Folge, dass er neben den Ehrenpreisen des Hauses Dallmayr noch einen zusätzlichen, von der bayerischen Landesregierung gestifteten Preis mit nach Hause nehmen durfte – einen Bayerischen Löwen, gefertigt von der Porzellanmanufaktur Nymphenburg. Das ist nun wohl abgeschafft worden. Die Geschichte des alten Bayerischen Zuchtrennens soll ja bis ins Jahr 1866 zurückgehen, was bedeuten würde, dass es schon am ersten Renntag stattgefunden hat, den der Münchener Rennverein am 9. Mai 1866 auf dem Oberwiesenfeld veranstalte. Tatsächlich gab es damals ein Rennen für dreijährige Pferde über „eine dreiviertel bayerische Poststunde“, was ungefähr einer Distanz von 2400 Metern entspricht. Zum Zuchtrennen aufgewertet und anerkannt ist es aber erst seit 1900, als es auch seinen jetzigen Namen bekam. Es war trotz der nur sechs Starter ein tumultuöses Rennen damals: Die beiden Ersten (darunter ein Pferd des Prinzen und späteren Königs Ludwig) machten ein „totes Rennen“ und die beiden dahinter einkommenden Pferde wurden disqualifiziert wegen Auslassens einer Flagge. Das Bayerische Zuchtrennen nahm bis zum Ersten Weltkrieg einen hohen Rang ein, war in besten Zeiten auch mit 50.000 Goldmark dotiert, also nach heutigem Geld etwa 250.000 Euro. Nach dem Krieg fiel es schnell der Bedeutungslosigkeit anheim. Zwischen 1932 und 1939 wurde es gar nicht gelaufen, gewann nach 1945 aber schnell wieder an Geltung. Der einzige Derbysieger, der auch das Bayerische Zuchtrennen gewann, war 1947 Singlspieler, allerdings wurde das Münchener Rennen damals vor dem Derby gelaufen. Es hätte zweifellos einen weiteren Doppelsieger gegeben, wäre Uomo 1959 nicht mit dem Sieg in der Hand ausgebrochen. Er lag klar in Front, als sein Reiter noch einmal die Peitsche hob, woraufhin Uomo durch eine Lücke in der Hecke in die Innenbahn ausbrach. Sein Reiter Peter Alafi prallte dabei gegen den Pfosten der australischen Startmaschine und verletzte sich erheblich. Als prominente Sieger aus der Zeit des alten Rennens sind noch Masetto, Segnes, Index, Anno und Daun zu nennen.

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

Imagefilm

Deutscher Galopp Imagefilm