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Blog: Chefhandicapper Harald Siemen

„Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht“

8. Mai 2019

Bei Liebhabern brutaler Italo-Western steht der vielfach prämierte Blockbuster Django Unchained von Regisseur Quentin Tarantino hoch im Kurs. Der Weg des Helden Django Freeman ist – bis er mit seiner Broomhilda in den Nachthimmel reiten darf – von so vielen Leichen gepflastert, dass niemand sie bisher hat zählen können. Django Freeman, das Pferd, hat auf dem Weg zum Deutschen Derby in Hamburg-Horn auch schon ordentlich aufgeräumt unter seinen Gegnern und bei bisher vier Starts 31 seiner 32 Rivalen geschlagen – nur Noble Moon nicht, den Winterfavoriten.

Dass Django Freeman danach und besonders nach seinem überzeugenden Sieg am Maifeiertag in München-Riem jetzt klar an der Spitze des Wettmarkts für das 150. Idee Deutsche Derby steht, kann nicht überraschen, eher schon, dass er mit Kursen um die 6:1 dort eine so herausgehobene Position einnimmt. Denn wer das Bavarian Classic gewinnt, muss noch lange kein Derbysieger sein, von seinen 50 Vorgängern haben nur fünf auch in Hamburg gewonnen, zuletzt Isfahan vor drei Jahren. Von dessen Nachfolgern als Bavarian Classic-Sieger war Warring States eher einer der schwächeren Sieger dieses Rennens, wurde im Derby Letzter und betrat kürzlich erstmals nach anderthalb Jahren Pause in Katar wieder eine Rennbahn, lief aber dreimal hinterher. Royal Youmzain, der Vorjahrssieger, ist da von anderem Format, er gehört zu den augenblicklich überschaubaren Anwärtern für die kommenden Grand-Prix-Rennen.

Django Freeman ging mit einem Rating von 94,5 kg aus dem Preis des Winterfavoriten ins Rennen, und genau diese Marke (Rating 109) ergibt sich auch für das Bavarian Classic bei einer Rechnung über den zweitplatzierten Quest the Moon, für den ein GAG von 93 kg zu Buche steht und der mit anderthalb Längen Rückstand genau um diese Gewichtsdifferenz von 1 ½ Kilo geschlagen blieb. Von den nachfolgenden Pferden haben sich einige deutlich verbessert, aber das bleibt oft nicht aus, wenn junge Pferde erstmals in einem Grupperennen antreten.

Video: pferdewetten.de - Bavarian Classic (Gr.III), München - Sieger: Django Freeman

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„Eine Versicherung ist etwas, das man eigentlich nie brauchen müsste, aber doch einfach wollen muss, weil man sie immer brauchen tun könnte.“ Dieser Satz des Wortakrobaten Karl Valentin steht als Motto auf der Website des Versicherungskontors Carl Jaspers, und auch der Dichter Joachim Ringelnatz wird dort bemüht: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“ Im Unternehmen in der Kölner Südstadt scheint man also Humor zu haben. Ein gutes Quantum davon brauchte man auch am Sonntag in Köln angesichts des Ergebnisses des Gr. II-Carl Jaspers-Preises, also desjenigen Rennens, das sich 83 Jahre lang unter dem Namen Gerling-Preis einen hohen Bekanntheitsgrad gesichert hatte. Lombard, Windwurf, Nebos, Orofino, Acatenango, Mondrian, Lomitas, Tiger Hill und Monsun stehen in der Siegerliste – Ikonen des deutschen Galoppsports. In den letzten zehn Jahren waren wohl Kamsin, Scalo, Ivanhowe, Ito und Dschingis Secret die Besten. Den Sieg eines im Ausland trainierten Pferdes hatte es in der Geschichte des Gerling-Preises nur zweimal gegeben,  2006 als Collier Hill für England gewann und 1988 beim norwegischen Sieg von Wildvogel. 

Jetzt, beim ersten Mal unter neuem Namen, der natürlich auf den Wechsel des Sponsors zurückgeht, geschah es zum dritten Mal. Es ist kein Ruhmesblatt für die deutschen Galopper, dass sie French King nicht schlagen konnten, ein Pferd, das im Herbst vorigen Jahres noch weitgehend erfolglos in Listenrennen in der französischen Provinz unterwegs war. Er hatte sich dort ein Rating von 90 kg erarbeitet, konnte dieses aber gleich beim ersten Start in diesem Jahr im Februar auf 95 kg steigern, als Sieger in der mit einer Million Dollar dotierten Amir Trophy auf der Rennbahn von Doha in Katar. Es könnte also sein, dass French King den Fahrstuhl nach oben betreten hat, er ist ja auch erst vier Jahre alt. Collier Hill, um noch einmal auf den Sieger von 2006 zurückzukommen, reiste damals auch nur mit einem Rating von 96 kg an und gewann danach mit dem Irish St. Leger, dem Canadian International und der Hong Kong Vase noch drei Gruppe-I-Rennen.

Video: Carl-Jaspers-Preis (Gr. II), Köln - Sieger: French King

Vorerst aber gilt es zu konstatieren, dass unsere Pferde am Sonntag gegen einen internationalen Nobody verloren haben. Das ist nicht schön, aber überraschend ist es auch nicht, wir haben eben derzeit nicht viel zu bieten. Über die 94,5 kg des Zweitplatzierten Be My Sheriff ergibt sich für French King eine neue Marke von 95,5 kg (Rating 111), also ein halbes Kilo mehr als bisher. Windstoß als Dritter (95 kg) zeigte nach längerem wieder einmal eine ansprechende Form, Alounak bestätigte seine bisherige Marke von 92,5 kg. Nächste Station für die Grand Prix-Pferde ist Baden-Baden mit dem Großen Preis der Badischen Wirtschaft, für den auch Royal Youmzain genannt ist.

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Sind die Amerikaner jetzt endgültig verrückt geworden? Disqualifizieren ihren Derbysieger und setzen ihn vom ersten auf den siebzehnten Platz, wodurch der an dem Schlamassel ganz unbeteiligte 66:1-Außenseiter Country House zum Sieg im bedeutendsten Pferderennen der USA kommt. Man ist sprachlos. Die Stewards von Churchill Downs sagen, sie hätten alles richtig gemacht, hätten nur die Rennordnung angewendet. Es war die erste Disqualifikation wegen Behinderung in der 145. Ausgabe des Kentucky Derbys. Gegen Ende des Schlussbogens war Maximum Security an der Spitze liegend von der Spur abgekommen und hatte dadurch eine Kettenreaktion ausgelöst.

Die USA und auch Kanada gehören disqualifikationstechnisch noch zur Kategorie 2, das heißt, der Behinderer wird hinter den Behinderten gesetzt, ganz egal, wo der im Ziel landet. In der Kategorie 1, in der sich alle anderen großen Rennsportnationen befinden, wird dagegen nur die Frage gestellt, ob das behinderte Pferd hätte gewinnen können, eine Regel, die das beste Pferd im Rennen schützt. Nun ist die Aufregung groß, der Besitzer des gemaßregelten Hengstes Maximum Security will in die Berufung gehen, eine solche lässt die dortige Rennordnung aber gar nicht zu, weswegen schon die Rede von ordentlichen Gerichten ist. Als wenn der amerikanische Rennsport mit der Dopingproblematik und den vielen toten Pferden auf ihren Rennbahnen nicht schon genug am Hals hätte.

Video: Kentucky Derby controversy - Maximum Security disqualification causes outrage

Deutschland ist bekanntlich erst im Vorjahr und nach jahrelanger Diskussion in die Kategorie 1 gewechselt und hat damit die Rennleiter von ihren ärgsten Alpträumen befreit. Ich erinnere mich noch an zwei herausragende Fälle dieser Art. Der eine betraf 1990 den Hertie-Preis in München, in dem Eulogy im Besitz von Scheich Mohammed mit fünf Längen Vorsprung durchs Ziel ging, 600 Meter vorher aber dem Auenqueller Fontane in die Quere gekommen war. Fontane war im Ziel nur Vierter, da er aber vielleicht Dritter hätte werden können, wurde Eulogy der überlegene Sieg aberkannt und hinter Fontane platziert. Der andere Fall, der damals auf der Kölner Rennbahn heftige Reaktionen hervorrief, ereignete sich im Mehl-Mülhens-Rennen 1992. Auch hier wurde der Erste auf den vierten Platz zurückgesetzt. Alhijaz aus dem englischen Stall von John Dunlop war hier das Opfer der Paragrafen, der später so großartige Platini kam als völlig Unbeteiligter zu einem geschenkten Sieg.

Den Besitzer von Maximum Security wird es nicht interessieren, aber trotzdem möchte ich noch einmal sagen, dass die Handicapper die Pferde so bewerten, wie sie durchs Ziel gekommen sind. So wird Maximum Security, obwohl offiziell nur Siebzehnter, in der am Donnerstag erscheinenden neuen Weltrangliste voraussichtlich mit einer Marke von 120 (100 kg) erscheinen, der zum Sieger erklärte Country House mit 117 (98,5 kg) aber nicht.

 

Deutscher Galopp

Die neue Marke Deutscher Galopp (ehemals GERMAN RACING) bildet die große Dachmarke, unter der spannende Pferderennen und stimmungsvolle Veranstaltungen auf den deutschen Rennbahnen stattfinden. Gleichzeitig fungiert die Marke als Oberbegriff für den Galopprennsport in Deutschland.

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