Köln
3. Mai 2011
Kann und möchte Manfred Chapman, die Stimme des deutschen Rennsports, auch Schneckenrennen kommentieren? Was hat er gemacht bevor er hauptberuflich Rennkommentator wurde? Manfred Chapman hat im GERMAN RACING- Interview Antworten auf diese und viele andere Fragen gegeben. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim lesen.
1. Frage
Sie waren im Oktober 2000 zu Gast bei Stefan Raab und mussten dort spontan ein Rennen in sächsischer Mundart kommentieren (Link zum Video). Die Zuschauer haben danach tosenden Beifall geklatscht. War das vorher abgesprochen und sie konnten in der Garderobe üben oder können Sie das einfach so zu jeder Zeit?
Manfred Chapman: "Das mit dem tosenden Beifall sollte man nicht überbewerten. Die Gefühlsausbrüche des Publikums bei solch einer Live-Show werden weitgehend von einem Animateur bestimmt und in die passende Richtung gelenkt. Im Vorfeld zu diesem Termin gab es einige Telefonate mit der Redaktion. Die damals verantwortlichen Personen hatten einen Schnecken-Rennen mit adäquatem Kommentar vorgeschlagen. Das war natürlich nicht in meinem Sinne, also habe ich alternativ einen
Dialekt vorgeschlagen. Welcher das war, wurde mir erst während der Sendung von Stefan Raab gesagt. Mit ihm selbst hatte ich 15 Minuten vor der Live-Aufzeichnung (TV Total wurde dann 2 Stunden später und ohne Cuts gesendet) nur ganz kurzen Kontakt. "Ach Sie sind der Schreihals beim Pferderennen", waren seine einzigen Worte. Von Üben keine Rede. Die angesprochene Garderobe war übrigens nur ein umfunktioniertes Wohnzimmer mit einer Couch und einem Tisch, an dem sich "mein Kollege" Helge Schneider mit einer großen Tüte Fritten mit viel Rot und Weiß der Aufmerksamkeit der Redaktionsmitglieder erfreute. Den "Raab der Woche" habe ich nie erhalten. Sieger der Dreierrunde war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Ihm hatte man den Song "hol mir mal ne Flasche Bier" aufs Auge gedrückt. "
2. Frage
Wann wurde der Grundstein für ihre Laufbahn als Rennkommentator gelegt?
Manfred Chapman: "Die meisten haben vergessen, daß ich genau 30 Jahre Redakteur der Sport-Welt war. Angestellter des Deutschen Sport-Verlages war auch Hans Carl Heicke, der mir aus zeitlichen Gründen und Überschneidungen die Kommentare an den Wochenrenntagen des Hamburger Derby-Meetings anbot. Nach seinem plötzlichen und unerwarteten Rücktritt Ende 1984 gab es dann in der Folgezeit mehrere Angebote, auch von den Meetings-Veranstaltern. In Hamburg stand meine Premiere allerdings schon 1983 an. Ziemlich unfreiwillig übrigens, denn Hans Heicke hatte aus gesundheitlichen Gründen seinen Rückzug Schritt für Schritt eingeleitet."
3. Frage
Welche(s) Rennen, das/die Sie kommentierten wird/werden Ihnen immer in Erinnerung bleiben?
Manfred Chapman: "Natürlich habe ich viele ganz großartige Pferde als Kommentator begleitet. Unvergessen bleibt mein erstes Deutsches Derby 1983 mit dem Sieg von Ordos. Was sich da in meinem Körper im Vorfeld, während des Rennens und im Anschluss daran abgespielt hat, kann ich in Worten nicht erklären. Das war Anspannung pur."
4. Frage
Gibt es für Sie einen Unterschied bei der Kommentierung eines Gruppe-Rennens und eines Handicap-Rennens, z.B. Ausgleich III oder IV?
Manfred Chapman: "Gruppe-Rennen sind immer etwas Besonderes, das hat sich nicht geändert, das wird sich auch nie ändern. Nach solch einem Event habe ich früher schon mal die Seele baumeln lassen, das ist heutzutage undenkbar. Es geht weiter. Und nach (beispielsweise) dem Deutschen Derby kommt nun einmal ein Rennen für noch dreijährige sieglose Pferde. Meist ein Riesenfeld, oft mit unbekannten Namen. Das ist dann schwerer, zumal es auch nicht einfach ist, die Konzentration neu zu motivieren. Unvergessen bleibt nach dem Mauerfall auch das erste Rennen für ausschließlich in der ehemaligen DDR trainierte Pferde in Hamburg. Das Problem waren keineswegs die Namen der Pferde, es waren die Renndresse, die damals komplett verwaschen und mit den in Sport-Welt und Rennprogramm ausgedruckten Farben nicht in Einklang zu bringen waren. Auch die später ins Programm genommen Rennen für arabische Vollblüter und die Iffezheimer Fegentri-Prüfung in den jeweiligen Landesfarben der Reiter waren kein Zuckerschlecken."
5. Frage
Wie bereiten Sie sich auf einen Renntag vor?
Manfred Chapman: "Der Grüne Star begleitet mich nun schon seit gut zwei Jahrzehnten, wirkt sich aber nur beim Lesen aus. Ohne Sehhilfe kann ich kein normales Rennprogramm nutzen. Also schreibe ich mir die startenden Pferde in großen Lettern in einen dafür vorgesehenen Block, ohne Renndresse, ohne Reiter. Das ist mein Konzept, das auch klappt. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel."
6. Frage
Auf welcher Bahn der Welt würden Sie gerne einen Renntag lang kommentieren?
Manfred Chapman: "Nirgendwo. Ich bleibe in Deutschland."
7. Frage
In Frankreich und England teilen sich zwei Kommentatoren manche Rennen, könnten Sie sich das auch vorstellen? Mit wem würden Sie sich, wenn ja, das Rennen teilen wollen?
Manfred Chapman:"Mal ganz ehrlich. Wie soll das bei den technischen Voraussetzungen bei uns klappen? Der Rennkommentator muß doch schon jetzt um einen geeigneten Übertragungsplatz kämpfen. Von den angebotenen Bildern ganz zu schweigen. Den Verantwortlichen ist es doch weitgehend egal, wo der Rennkommentator seinen Platz hat. Und ob es dann Sonneneinwirkung auf dem "Hilfsmittel Monitor" gibt, ist auch nebensächlich. Mein Partner dürfte sich während der Arbeit nicht am Wettgeschäft beteiligen, was ich übrigens an freien Tagen sehr gerne mache. In der jetzigen Situationen hätten wohl Hartmut Faust und Sven Wissel Stammplätze. Für mich und meine Partner würde ich aber den Jürgen Burk aus Mannheim als Soufleur beschäftigen."
8. Frage
Woran orientieren Sie sich im Rennen?
Manfred Chapman: "Ausschließlich an den Rennfarben, die dann in Verbindung mit dem Pferdenamen zu bringen sind. Die Nummerndecken kann man in den meisten Fällen nicht erkennen. Manchmal ist es auch der Reitstil bestimmter Jockeys, aber darauf sollte man sich nicht verlassen. Das kann ich erwiesenermaßen unterstreichen."
9. Frage
So langsam kommen die Derbypferde auf die Bahn, haben Sie zum jetzigen Zeitpunkt schon einen Favoriten?
Manfred Chapman: "Wer mich kennt, weiß, wie zurückhaltend ich mit Prognosen sein kann. Ich beteilige mich zwar gerne an Meinungsaustausch und Diskussionen. Das ist Fakt. Wenn ich aber den Derby-Sieger oder andere Gewinner kennen würde, hätte ich ein Problem weniger."
10. Frage
Auf welcher Bahn in Deutschland haben Sie die beste Sicht auf das Geschehen?
Manfred Chapman: "Einwandfrei in Köln. Eine in allen Belangen gut überschaubare Rennbahn ohne störendes Baumwerk."
Vielen Dank für das Interview.